Entmündigt
durchschlagen hatte. Bruno Peltzner mußte sofort tot gewesen sein.
Die Taschenlampe in der Hand des Försters zitterte. Langsam stand Ewald Peltzner wieder auf. In seinen Augen standen Tränen.
»Wie … wie ist das möglich?« fragte jemand aus der Jagdgesellschaft. Der Förster nahm den Hut ab. Sein Gesicht zuckte.
»Es gibt nur eine Erklärung. Herr Peltzner ist in seiner Jagdleidenschaft zu nahe an den Wechsel herangekommen und ist in die Schußlinie geraten.« Er schluckte und würgte an den Worten. »Jeder von uns kann ihn erschossen haben … wir standen alle hier vor dem Austritt der Böcke verteilt … alle … jeder von uns …«
Für Gisela Peltzner war der plötzliche Tod ihres Vaters der Zusammenbruch einer bisher sorglosen, glücklichen Welt. Sie befand sich gerade mit einigen Freundinnen in Ascona, als das Telegramm Ewald Peltzners eintraf.
»Rückkehr bitte sofort stop Vater erkrankt. Onkel Ewald.«
Als Gisela in den Park der Peltzner-Villa einfuhr, müde, mit Staub bedeckt, nach einer zwölfstündigen, rasenden Fahrt, sah sie die ersten Kränze auf dem Rasen neben der Auffahrt liegen. Tante Anna kam ihr weinend die Treppe herunter entgegen und umarmte sie theatralisch.
»Dein guter, guter Vater …«, schluchzte sie. Wie versteinert ging Gisela ins Haus und hinüber in die Bibliothek, wo man Bruno Peltzner aufgebahrt hatte. Sie trat an den Sarg und starrte in das ruhige Gesicht ihres Vaters. Ewald Peltzner war an der Tür stehengeblieben, mit gefalteten Händen und gesenktem Kopf.
»Man hat ihn also erschossen!«
Der Kopf Ewalds zuckte hoch. Er hatte alles erwartet … Tränen, Aufschreie, einen Zusammenbruch an der Bahre … aber nicht das. Die Stimme Giselas war klar und fast kalt.
»Ein Unfall …«
»Wer hat geschossen …«
»Wenn wir das wüßten. Alle kamen in Frage. Dein Vater ist in das Schußfeld des Kessels getreten. Es trifft keinen eine Schuld …«
Der Kopf Giselas sank herab. »Laß mich bitte mit Vater allein …«, sagte sie leise.
Während die Vorbereitungen für ein großes Begräbnis liefen, während die Peltzner-Betriebe Abordnungen schickten mit Kränzen und Fahnen, die Zeitungen große Nachrufe brachten und die Familiengruft hergerichtet wurde, saßen in einem kleinen Zimmer der Villa die Verwandten um einen runden Tisch.
Ewald Peltzner und seine Tochter Monique, Anna Fellgrub geb. Peltzner und ihr Sohn, der Subdirektor Heinrich Fellgrub. Gisela war in der Stadt. Der Notar der Familie hatte sie zu einer Besprechung wegen der Testamentseröffnung gebeten. Bruno Peltzner hatte für sein Begräbnis einige Wünsche gesondert festgelegt, gewissermaßen in einem Vor-Testament.
»Übermorgen wird das Testament verlesen«, sagte Ewald Peltzner. »Ich nehme an, daß Bruno alles genau festgelegt hat. Vor einigen Monaten sprach er einmal kurz darüber. Wenn wir ihn überlebten, soll aus den Werken ein reiner Familienbetrieb werden.«
»Dann wären wir also ab heute alle Millionäre …«, platzte Anna Fellgrub heraus.
Ewald Peltzner legte seine dicken Hände auf die Tischplatte. Er sah seine kapriziöse Tochter Monique an, deren Lebensinhalt darin bestand, sich schön zu machen, sich mit schwarzgelockten Männern zu umgeben, die ein scharfgeschnittenes Profil römischer Provenienz besaßen, weiße Sportwagen zu fahren und an der Riviera von Cannes bis Genua bekannt zu sein. Ihre kurzen Besuche zu Hause benutzte sie dazu, Papa Ewald zu erpressen, ihr mehr Geld zu geben, oder ihrer Cousine Gisela pikante Ratschläge zu erteilen, wie man sich einen italienischen Grafen angelt.
»Wir müssen jetzt ganz nüchtern denken, liebe Kinder«, sagte Ewald Peltzner jovial. »Als neuer Chef der Familie bin ich auch verantwortlich für Gisela. Sie wird natürlich einen großen Teil erben, und wir müssen ihn für sie verwalten, gut anlegen und vermehren. Sie soll wie bisher sorglos leben. Das arme Kind hat ja nun alles verloren … nur das Geld bleibt ihr …«
»Das arme Kind«, wiederholte Anna Fellgrub und tupfte an ihre Augen.
»Bekomme ich einen neuen Wagen?« Monique hauchte auf ihre langen, roten Fingernägel und polierte sie an ihrem flauschigen Pullover. »Im Autosalon in Paris habe ich ein entzückendes Coupé gesehen … mit Polstern aus Ozelotfellen. Zauberhaft …«
»Es ist zum Kotzen!« Heinrich Fellgrub, der junge Subdirektor, glich mehr seiner Cousine Gisela als den übrigen Verwandten. Er war groß, schmalköpfig und feingliedrig. »Onkel Bruno liegt noch nebenan
Weitere Kostenlose Bücher