Entscheidungen
zwar einen Zugang zur Kanalisation, doch der Weg war eng und es stank bestialisch. Dass Sam dort nur ungern langging, war mehr als verständlich.
Allerdings vermisste ich ihn bereits jetzt schon und dabei hatte der Tag noch nicht einmal richtig angefangen.
Wann würde Vanessa zurückkommen? Ich musste dringend mit ihr über Mike und dessen kuriosen Freunde reden. Doch was sollte ich ihr sagen? Ich musste wirklich vorsichtig sein, denn ich wollte mich auf gar keinen Fall mit ihr streiten.
Ich warf einen Blick aus dem Fenster und staunte über den fast menschenleeren Campus. Kaum zu glaube, dass sich in drei Wochen bereits wieder die Studenten dort unten drängeln würden. Im Moment wirkte alles so friedlich, fast erholsam.
Unwillkürlich dachte ich an Philipp und spürte einen Stich. Es war alles so schnell gegangen. Eben noch hatte er mich mit seiner aufdringlichen Art fast in den Wahnsinn getrieben und im nächsten Augenblick sah ich bereits seinen leblosen Körper auf dem kalten Boden liegen.
Ashleys Lachen hallte noch immer in meinen Ohren wider. Wie sehr ihr das Freude bereitet hatte! Es machte mich noch immer fassungslos.
Ich war froh, dass Carl, Philipps Mitbewohner, mittlerweile zurück nach Schweden gegangen war. Seine Blicke hatten mich nervös gemacht. Ich wusste, dass er Sam und mir nicht traute, schließlich waren wir nach dem Mord an Philipp einfach verschwunden, doch was hätte ich ihm sagen sollen?
'Hey, tut mir leid, aber das war nicht mein Freund, der deinen Mitbewohner ausgesaugt hat?' Seit Sams Verwandlung war das Leben doch um einiges kompliziertes geworden, als es sowieso schon immer gewesen war. Doch wollte ich deswegen tauschen? Zurück zu meinem alten Dasein? Was wäre gewesen, wenn meine Familie niemals nach Nebraska gezogen wäre? Wenn ich zusammen mit Kimberley in New York meinen Schulabschluss gemacht hätte? Wäre ich dann der Mensch, der ich jetzt war?
Ich schüttelte den Kopf.
Ich wäre jetzt wahrscheinlich, ebenso wie sie, in Kalifornien, würde Jura studieren und den ganzen Tag über shoppen gehen oder mit irgendwelchen Jungen flirten, die mir allesamt nichts bedeuteten. Das war nicht mehr das, was ich wollte. Es war gut so, wie es war, auch, wenn es so seine Schwierigkeiten machte.
Als ich aus der Dusche kam, hörte ich, wie jemand den Schlüssel ins Türschloss steckte.
"Van, bist du das?"
"Klar, wer sonst?", hörte ich sie munter rufen.
Ich zog mir schnell ein Paar Jeans und eine Bluse über und knotete meine feuchten Locken zu einem Dutt zusammen.
Vanessa stand vor dem Spiegel und betrachtete eingehend ihre Augen.
"Mike hat gesagt, meine Augen wären mystisch."
"Du magst ihn sehr, oder?" Ich lächelte.
"Er ist toll." Sie wandte den Blick und strahlte mich an. "Ich gebe zu, das ganze Vampirgedöns ist ein wenig albern, vor allem, wenn man wie wir… die Wahrheit kennt, aber irgendwie ist es auch süß."
"Ja, ich denke, er ist nett. Allerdings finde ich seine beiden Freunde… etwas gewöhnungsbedürftig", sagte ich vorsichtig.
"Ach, die beiden." Vanessa zuckte gleichgültig die Schultern. "Eigentlich sind sie ganz ok, aber sie nehmen das alles doch sehr ernst. Wahrscheinlich wäre sie ausgerastet, wenn sie gewusst hätten, dass Sam…"
"Aber du hast ihnen doch nichts gesagt, oder?", unterbrach ich sie heftiger als beabsichtigt.
"Nein, ich bin doch nicht doof. Wir würden sie nie mehr loswerden. Es nervt mich sowieso schon, dass sie immer bei Mike rumhängen."
"Also Mike." Ich versuchte erneut zu lächeln.
Sie nickte und ihr Gesicht fing augenblicklich wieder an zu strahlen.
"Stell dir vor, wir sind seit Jahren in denselben Foren angemeldet, aber haben nie miteinander geredet."
Ich nickte verständnisvoll.
"Ich weiß jetzt… wie es dir mit Sam geht. Also ich meine, warum du ihn nicht einfach aufgeben kannst. Mike einfach wieder gehen zu lassen, würde mich umbringen."
"Wie lange kennt ihr euch schon?"
"Ist das wichtig?", fragte sie fast gekränkt.
"Nein, ist es nicht. Sam und ich waren uns vor seiner Verwandlung auch nicht besonders lange besonders nahe gekommen", erinnerte ich sie.
"Das stimmt. Tut mir leid. Ich bin immer so empfindlich. Ständig denke ich, du willst mir alles mies machen. Keine Ahnung, wieso." Sie zuckte fast ein wenig beschämt die Schultern.
"Quatsch, ohne dich würde ich hier gar nicht mehr stehen." Schaudernd dachte ich an den Hunter. Er hatte mir im letzten Jahr das Leben gerettet, und es war Vanessa gewesen, die ihn geschickte
Weitere Kostenlose Bücher