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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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durchschritten hatten. Erneut wechselte er ein paar Worte mit Coar, riß sein Pferd dann mit einem brutalen Zerren am Zügel herum und sprengte an der Spitze seiner Männer auf die Stadt zu. »Ärger?« fragte Skar knapp, als Coar langsam auf ihn zugeritten kam.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nichts, was dich betrifft.«
    »Den Eindruck hatte ich nicht«, erwiderte Skar lächelnd.
    In Coars dunklen Augen blitzte es verärgert auf. »Bernec spielt sich gerne auf, das ist alles. Kümmere dich nicht um ihn.«
    »Bernec? Der…«
    »Der Befehlshaber der Stadtgarde«, sagte Coar. »Er bildet sich ein, unumschränkter Herrscher über Went zu sein.« Sie lächelte abfällig. »Wahrscheinlich wird er jetzt drei Wochen kein Wort mehr mit mir wechseln, aber er beruhigt sich auch wieder. Vorerst bleibt ihr weiter in meiner Obhut. Wir bringen dich und Del zuerst zu unserer Heilerin. Ihr müßt ruhen.«
    Skar brannten noch tausend Fragen auf der Zunge, aber Coar wandte sich bereits wieder um und ritt in mäßigem Tempo auf die Stadt zu. Die beiden Kriegerinnen rechts und links von Skar schoben ihre Waffen in die Gürtel zurück und gaben ihren Tieren die Sporen.
    Die Nachricht von ihrem Kommen schien sich wie ein Lauffeuer in der Stadt zu verbreiten. Vorhin, als sie durch die Dornenhecke geritten waren, waren nur wenige Menschen außerhalb der Gebäude zu sehen gewesen. Aber jetzt füllten sich die Laufstege und Brücken zunehmend mit Menschen: Männern, Frauen, Kindern und Greisen, die der Garde und ihren beiden Gefangenen neugierig entgegenblickten und aufgeregt miteinander redeten und gestikulierten.
    »Die Heilerin wohnt dort hinten.« Coar deutete auf ein annähernd halbkugelförmiges, grün-braun gemustertes Gebäude, das in etwa zehn Metern Höhe zwischen zwei mächtigen Baumstämmen verankert und über eine breite, sanft ansteigende Rampe erreichbar war. Die Reiterin, hinter deren Pferd Dels Trage befestigt war, brach auf einen stummen Blick der Kommandantin aus der geordneten Marschformation aus und ritt auf das Baumhaus zu.
    »Fühlst du dich kräftig genug, zuerst mit dem Stadtkommandanten zu reden?«
    Skar konnte sich im Moment Besseres vorstellen, aber er nickte trotzdem. Trotz seiner Müdigkeit hätte er keine Ruhe gefunden, ehe ihr weiteres Schicksal nicht wenigstens in groben Zügen geklärt war. Coars plötzliche Freundlichkeit hatte ihn beinahe vergessen lassen, daß sie noch immer Gefangene waren.
    »So komm.« Coar wandte sich um und sprengte, ohne auf ihre Begleiterinnen zu achten, auf ein niedriges braunes Gebäude am südlichen Rand der Baumstadt zu. Skar preßte seinem Tier die Schenkel in die Seiten und folgte ihr.
    Sie stiegen aus den Sätteln, und Coar schlug ein paarmal heftig mit der behandschuhten Faust an die niedrige Holztür. Sekundenlang geschah nichts, dann erklangen von drinnen langsame, schlurfende Schritte. Ein Riegel wurde zurückgeschoben, und ein alter, in zerschlissene braune Lumpen gekleideter Mann erschien unter der Tür.
    Coar deutete auf ihr und Skars Pferd und sagte ein paar schnelle, unverständliche Worte. Der Alte nickte, schlurfte mit hängenden Schultern zu den beiden Pferden und führte sie wortlos ins Innere des Hauses. Offenbar waren Stallungen und Vorratshäuser ebenerdig angebracht.
    Coar deutete mit einer Kopfbewegung weiter ins Zentrum Wents hinein. »Gehen wir. Und bleib immer dicht an meiner Seite.«
    Es gab keine markierten Wege oder Pfade. Der Boden war mit Moos und Büscheln eines harten, scharfblättrigen Grases bewachsen, und hier und da entdeckte er — scheinbar wie alles in Went willkürlich und ohne erkennbaren Plan angelegt, kleine, gepflegte Blumenbeete oder auch Büsche einer saftigen, palmenähnlichen Pflanze, die nicht in den natürlichen Bewuchs des Waldes zu gehören schien und offenbar künstlich hier angepflanzt worden war — aber Coar führte ihn, einem undurchschaubaren Kurs aus scheinbar willkürlichen Rechtsund Linkswendungen folgend, tiefer in die Waldstadt hinein.
    Skar war viel zu müde, um auf seine Umgebung zu achten. Wohin sie kamen, wurden sie von Neugierigen empfangen, aber Skar nahm kaum mehr als Bäume und sonderbar geformte Häuser und ein verwirrendes Spiel von Licht und Schatten und den unterschiedlichsten Grün- und Brauntönen wahr. Schließlich erreichten sie ein ebenerdig gelegenes, wuchtiges Gebäude im Zentrum der Stadt. Es war das erste aus Stein und Holz erbaute Haus, das Skar seit Betreten der Stadt erblickte, und vermutlich

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