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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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offenen Kreis um sie herum und vertrieb Kälte und Dunkelheit aus ihrer unmittelbaren Umgebung. Sie verharrte einen Moment reglos, beugte sich vor und begann mit bloßen Händen im Boden zu graben, eine Arbeit, die in dem schweren und feuchten Sand sicher anstrengend und schmerzhaft war. Ihre Bewegungen waren langsam und zielsicher, als folge sie dabei einem genau vorgegebenen Muster. Sie grub etwa einen halben Meter tief, richtete sich auf und säuberte die Hände mit einem Tuch, das ihr einer der Fackelträger reichte.
    Die Trommelschläge verstummten. Für die Dauer von zehn, fünfzehn Atemzügen saß die junge Kommandantin vollkommen reglos da, eine filigran gearbeitete Statue, die von silbernem Sternenlicht übergossen wurde. Ihre Hände ruhten auf dem kleinen silbernen Gegenstand, den Skar schon zuvor bemerkt hatte. Er erkannte ihn jetzt wieder — es war das Kästchen, das ihm bereits bei der verwirrenden Zeremonie auf der Waldlichtung aufgefallen war. Coar klappte den Deckel auf, griff hinein und nahm ein winziges rundes Korn heraus. Ihre Hand senkte sich in die Grube, die sie gegraben hatte, verharrte einen Moment reglos und zog sich dann leer wieder zurück. Erneut blieb sie sekundenlang bewegungslos und mit geschlossenen Augen sitzen, dann begann sie, wieder mit bloßen Händen und langsamen, zeremoniellen Bewegungen, die Grube wieder zuzuschaufeln. Ein Mann brachte ihr eine flache Schale mit Wasser. Sie trank einen winzigen Schluck davon, hob die Schale dann hoch vor das Gesicht und drehte sie mit einem Ruck um. Das Wasser floß heraus und versickerte fast augenblicklich im Boden.
    Ein tiefer, erleichterter Seufzer lief durch die Reihen der gebannt dastehenden Cearner. Coar erhob sich, verneigte sich tief in Richtung Wüste und ging dann rückwärts davon. Ihre Hände umklammerten das kleine Silberkästchen, als enthielte es etwas ungeheuer Kostbares.
    Und das tat es wohl auch, dachte Skar, halb betäubt vor Überraschung und ehrfürchtigem Staunen. Er hatte gewußt, daß dieses Volk ein intensives Verhältnis zur Natur und dem Wald hatte, aber erst jetzt begriff er wirklich, wie stark das Band war, wie sehr diese Menschen mit Cearn und Cearn mit ihnen verbunden sein mußten. Coar bewegte sich, flankiert von den Fackelträgern und begleitet von dumpfem, auf- und abschwellendem Gesang und dem pochenden Rhythmus der unsichtbaren Trommeln, wenige Schritte nach Norden und kniete erneut nieder. Wieder bildeten die Fackelträger einen weiten, nach einer Seite hin offenen Kreis um sie herum, und wieder begann sie mit bloßen Fingern im Boden zu graben, um die Zeremonie zu wiederholen, die Seele des zweiten Mädchens dem Boden und dem Wald anheimzugeben. Sie bettete den Samen, den sie dem Körper des getöteten Mädchens entnommen hatte, im Boden, goß Wasser darüber und stand auf, um mit raschem Schritt zu ihrem Platz auf dem Hügelkamm zurückzugehen. Die Fackeln erloschen. Noch einmal erhob sich Gesang, leiser und andächtiger diesmal, ein letzter Abschied, die letzte Ehrung, die die Cearner ihren gefallenen Kriegern zollten, dann wandten sie sich wie auf ein unhörbares Kommando hin um und gingen, jeder für sich und keinem geordneten Plan folgend, zu den wartenden Pferden zurück. Die Feier war vorüber. Sie war kurz gewesen, viel kürzer und einfacher als manch andere, der Skar beigewohnt hatte, aber trotzdem hatte sie ihn mehr berührt als jemals ein ähnliches Ereignis zuvor.
    Skar stieg schweigend in den Sattel und drängte sein Tier mit sanftem Schenkeldruck herum. Das Pferd schnaubte, warf nervös den Kopf in den Nacken und scharrte mit den Vorderhufen im weichen Boden. Skar blinzelte unwillkürlich nach oben, aber der Himmel über dem Wald war leer.
    Die Prozession begann auf dem gleichen Weg zurückzureiten, den sie gekommen war. Skar nahm wieder seine Position neben Coar ein, aber die Kommandantin wirkte seltsam ruhig und abweisend, so daß er nicht versuchte, ein Gespräch anzufangen.
    Ein einzelner Reiter löste sich vom hinteren Ende der Kolonne und sprengte auf sie zu. Bernec. Skar erkannte ihn sofort wieder, obwohl er seine Rüstung abgelegt hatte und nur mehr ein einfaches, von einem schmalen silbernen Gürtel zusammengehaltenes Gewand und knielange Stiefel trug. Seltsamerweise wirkte er ohne seine martialische Aufmachung beinahe eindrucksvoller als zuvor. Er war nur wenig älter als Coar, aber größer und breitschultriger, und die Art, in der er auf seinem Pferd saß, ließ in Skar fast so

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