Enwor 11 - Das elfte Buch
Ansonsten blieben nur noch zwei Möglichkeiten: links oder rechts am Schlund vorbei, egal, was sich ihnen entgegenstellen wollte.
»Lauf!«, schrie er Esanna zu und versetzte ihr einen Schubs, der sie nach hinten, auf den Schlund zustolpern ließ. Er selbst sprang im selben Moment und keine Sekunde zu früh los: Eines der Monster mit dem schwarzen Schattenriss Kiinas setzte ihm mit einem Fauchen nach und etwas, das wie eine groteske Mischung zwischen einem menschlichen Arm und der Klaue eines zu groß geratenen Käfers aussah, ratschte dicht an ihm vorbei.
Esannas Hand krallte sich schmerzhaft in Skars Arm und dicht nebeneinander hetzten sie weiter, nur weg von den Kreaturen. Es war zu dunkel, um mehr als ein paar Schritte weit sehen zu können und es war mehr als fraglich, ob er noch rechtzeitig den Rand des Abgrunds sehen würde, bevor sie in ihrem selbstmörderischen Tempo über ihn und in die nahezu unendliche Tiefe stürzen würden. Aber sie hatten keine andere Wahl. Die schwarzen Schatten hetzten von allen Seiten auf sie zu.
Es wurde in doppeltem Sinne ein Wettlauf mit dem Tod. Wenn sie zu langsam waren, würden sie eher früher als später ein Opfer der Monster werden, waren sie aber zu schnell, konnte das den Absturz in den sicheren Tod bedeuten. Obwohl Skar wusste, dass sie eine unbedachte Richtungsänderung in die unmittelbare Nähe des unermesslichen Lochs inmitten des Höhlenbodens bringen konnte, schlug er einen wilden Haken, als eine schwarz glänzende Kiina auf ihn zuzischelte. Sein ausgemergelter, überanstrengter Körper gehorchte ihm trotz der Strapazen der letzten Stunden und der vielen Verletzungen mit erstaunlicher Präzision, und war dennoch einen entscheidenden Sekundenbruchteil zu langsam.
Die Kreatur erwischte ihn an der Brust. Skar fühlte sich hochgehoben und zurückgeschleudert; mit wild rudernden Armen kämpfe er einen Moment um sein Gleichgewicht, da erwischte ihn ein zweiter Schlag und er ging endgültig zu Boden. Obwohl er im Fallen noch versuchte sich zur Seite zu drehen, schaffte er es nicht mehr ganz; er landete mit seinem vollen Gewicht auf Esanna und rammte sie damit geradezu in den Boden.
Dummerweise wurde nicht nur Esanna Opfer seines plumpen Sturzes, sondern auch sein rechter Arm; sein Handgelenk knickte ab und die Klinge seines
Tschekals
schrammte dicht an Esannas Oberschenkel vorbei auf den harten Boden. Wäre sein Schwert nicht aus spezialgehärtetem Sternenstahl, wäre es zweifellos bei dem Aufprall geborsten. Doch auch so nutzte ihm die Waffe nichts mehr; bevor er sich auch nur halb von Esanna und seinem Schwert gerollt hatte, war die Kreatur schon heran. Ein Schlangenschädel beugte sich über ihn, veränderte sich wie eine lebendig gewordene Halluzination eines Wahnsinnigen, halb Kiina und halb Monster, halb Mensch und halb unbegreiflich fließende Bewegung. Esanna stöhnte auf, gleichermaßen aus Benommenheit wie aus Panik, und Skar versuchte sich an einer Sprungtechnik, mit der es jeder halbwegs vernünftig ausgebildete Satai schaffen sollte, blitzschnell aus einer liegenden in eine stehende Position zu wechseln.
Daran gemessen versagte Skar kläglich. Er kam gerade halb hoch, da patschte die Klaue der Kiina-Kreatur auch schon wieder auf seine Brust und schleuderte ihn erneut auf das Mädchen herab. Esanna gab einen röchelnden, erstickten Laut von sich und zuckte einmal auf, um gleich darauf wie erstarrt unter ihm liegen zu bleiben. Skar hatte keine Zeit sich darum zu kümmern.
Als sich das Monster mit einem schmatzenden Geräusch auf ihn stürzen wollte, ließ er das durch den nur halb missglückten Sprung wieder freigekommene
Tschekal
einen präzisen und mit aller Kraft geführten Halbkreis beschreiben, der zu seiner eigenen grenzenlosen Verblüffung das Monster im ersten Ansatz sauber durchtrennte.
Der Torso der Kreatur blieb schwankend über ihm stehen, während der Oberkörper mit dem schlangengleichen Gesicht Kiinas direkt neben Skar auf den Boden krachte. Einen fürchterlichen Augenblick starrte Skar dabei in Kiinas gebrochene Augen, die so täuschend echt aussahen, dass er das Gefühl hatte, ein eiskalter Dolch durchstoße sein Herz. Dann schwappte eine ekelhafte, klebrige Brühe über ihn und der Torso stürzte auf ihn.
Skar zog die Knie an und traf den abscheulichen Unterleib mit einem gewaltigen Tritt im oberen Drittel; seine Hände zitterten dabei so stark, dass er kaum noch das Schwert halten konnte. Bevor der Torso in hohem Bogen
Weitere Kostenlose Bücher