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Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Vergangenheit gehüllten schmerzlichen Erinnerung.
    »Ich muss… ich muss mich um Kiina kümmern«, sagte er. »Sie braucht meine Hilfe.«
    Schon während er das sagte, wusste er, dass es nicht stimmte. Es gab keine Kiina, um die er sich kümmern musste oder konnte. Es gab ein Dutzend oder mehr Monster, die wie Kiina aussahen, die diese Form aus irgendeinem ihm unbegreiflichen Grund angenommen hatten und vielleicht nicht einmal, um ihn damit zu vernichten, sondern nur aus einem Reflex heraus. Aber das alles waren nichts als wilde Spekulationen und nichts, was ihn wirklich berührte.
    Er musste herausbekommen, was es damit auf sich hatte — koste es, was es wolle.
    »Geh weg von den
Khtaam«,
sagte Kama. »Wir müssen zum Treffpunkt.«
    Skar brauchte ihn nicht zu fragen, wen oder was der Nahrak in diesem Fall mit
Khtaam
gemeint hatte. Ein Teil in ihm war sich durchaus bewusst, was Kiina wirklich war. Dass sie sich wie nach einem langen Schlaf erfrischt aus dem Gespinst befreien würde, um ihn dann freudestrahlend zu begrüßen, war eine absurde Vorstellung; viel wahrscheinlicher war es, dass sie etwas genauso Widernatürliches wie die Nachtmahre war, dass irgendetwas Düsteres in eine Hülle geschlüpft war, die ihr nur äußerlich glich — aber er weigerte sich diesen Gedanken weiterzuverfolgen.
    Er drehte sich wieder um, noch immer mit gezogenem Schwert und noch immer halb nackt, wie ihm in diesem Moment ganz nebenbei bewusst wurde. Wahrscheinlich bot er einen erschreckenden Anblick: verletzt, verwirrt und am Rande seiner Kraft, aber mit einem Funkeln in den Augen, das ihn immer weitertreiben würde, bis er die Antwort auf seine stumme Frage nach Kiinas Existenz gefunden hatte.
    Er brauchte nicht lange darauf zu warten. Er hatte kaum seine linke Hand vorgestreckt, um das sich immer mehr verklumpende Netz zu berühren, als es sich auch schon zu ändern begann.
    »Tu es nicht«, sagte Esanna. »Geh da weg!«
    Aber selbst, wenn er ihrer Aufforderung sofort gefolgt wäre, wäre es zu spät gewesen. In dem kurzen Moment, den er mit Kama und dem Mädchen gesprochen hatte, waren die von seinem
Tschekal
zerschnittenen Fragmente des Netzes schon wieder aufeinander zugewandert wie eigenständige Wesen, Würmern gleich, die sich über eine Leiche schlängeln auf der Suche nach einer Körperöffnung, in die sie gleiten könnten, um ihr Zerstörungswerk zu beginnen. Skar fühlte sich unangenehm an den Tentakel erinnert, der versuchte hatte durch sein Nasenloch von ihm Besitz zu ergreifen.
    Doch in diesem Fall passierte nichts dergleichen. Das Netz schloss sich ganz einfach wieder, als könne es nicht dulden, Kiina unverhüllt dastehen zu lassen. Doch auch nachdem sich seine einzelnen Fragmente wieder vereint hatten, bebten sie wie ein lebendiges Wesen, das in höchste Erregung versetzt worden war. Die Veränderung setzte über den Brüsten Kiinas ein; die Knotenstellen der Fäden begannen stärker zu pulsieren, in einem heftigen Rhythmus, ähnlich dem Trommelschlag eines Trancetanzes, wie ihn einige Völker des Ostens bei der Bestattung ihrer Toten aufführten. Das Netz war jetzt so weitmaschig geworden, dass die nackte Brust auffallend stark betont wurde, zumal auch sie sich zu bewegen begann, ganz langsam und vorsichtig zuerst, sodass es Skar anfangs für eine optische Täuschung hielt, dann aber immer heftiger, bis sie zyklisch zu zucken begann, im Gegenschlag zum Netz, aber nicht minder schnell und damit keineswegs so, wie man es bei einem lebendigen Menschen erwarten konnte.
    Skar hätte jetzt seine Hand durch das Netz stecken können, um Kiina zu berühren, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Die vormals haarfeine Struktur des Gespinsts war jetzt einem grobmaschigen Netz gewichen, bei dem einzelne Verknüpfungen bereits die Stärke von Bindfäden erreicht hatten. Gleichzeitig schien sich die Konsistenz des Geflechts zu verändern; es wurde immer dunkler, fast schwarz, glänzte dabei und schien erst faserig zu sein, bevor sich seine Oberfläche veränderte und so glatt wie ein polierter Spiegel wurde.
    Es war ein abstoßender Anblick. Als Kiinas Gesicht erst leicht und dann immer stärker zu zucken begann und sich ihr Mund wie zu einem stummen Schrei öffnete, stöhnte Skar benommen auf. Es war nichts Menschliches in diesen Bewegungen und doch erinnerte es ihn so stark an den Menschen, an seine Tochter, die mit ihm gestritten, gekämpft und gelacht hatte, die ebenso wenig bereit gewesen war aufzugeben oder eine

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