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Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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willkommene Zwischenmahlzeit verdaut zu werden… Wahrscheinlich war es unnötig. Trotzdem kroch er ein kleines Stück weiter das Ufer hinauf, sodass seine Beine nicht mehr im Wasser hingen, ehe er es wagte, sich weiter aufzurichten und sich umzusehen. Er war nicht allzu weit von der Stelle entfernt, an der er ins Wasser gefallen war, aber auf der anderen Seite des Wasserfalls. Die Strömung und das blinde Wüten des Ungeheuers hatten ihn unter dem tödlichen Wasservorhang hindurchgezogen.
    Erneut wurde ihm klar, welch unglaubliches Glück er gehabt hatte. Er befand sich weit am Rande des Wasserfalls. Selbst hier hatte das Wasser, das aus der Höhe herabstürzte, schon ungeheure Kraft. Weiter zur Mitte der Felswand und des Sees hin musste sie hundertmal so stark sein. Wäre er in diese Hölle hineingezogen worden…
    Er zog es vor, diesen Gedanken nicht zu Ende zu verfolgen, sondern richtete sich weiter auf, legte den Kopf in den Nacken und blinzelte zur Felswand hoch. Er war seinem eigentlichen Ziel keinen Schritt näher gekommen, aber wenigstens hatte er eine Spur. Er war mittlerweile gar nicht mehr sicher nur durch einen reinen Zufall auf den Felsenweg hinter dem Wasserfall gestoßen zu sein. Nichts hier war ihm wirklich fremd. Dass die Erinnerungen noch immer nicht greifbar waren, bedeutete nicht, dass es sie nicht gab. Vermutlich war er gut beraten, wenn er weiter einfach auf seine Gefühle hörte — die vermutlich gar keine Ahnungen waren, sondern tatsächlich Erinnerungen, die sich auf Umwegen zurückmeldeten. Er musste irgendwie dort hinauf. Es gab dort oben Menschen. Aber wie er gerade auf ziemlich drastische Weise erfahren hatte, auch Ungeheuer —er war inzwischen fast sicher, dass es sich bei dem Wesen, das ihn ins Wasser gezerrt hatte, um eine der beiden Gestalten handelte, die von der Klippe gestürzt waren. Wahrscheinlich hatte es ihn gar nicht angegriffen, sondern in seinem Todeskampf einfach die Hand nach der ersten Bewegung ausgestreckt, die es sah. Dort oben aber gab es Menschen. Er wusste es einfach.
    Als er sich herumdrehte, sah er, dass es auch hier unten Menschen gab, zumindest einen.
    Er trieb nur ein kleines Stück vom Ufer entfernt mit dem Gesicht nach unten im Wasser. Seine Arme und Beine bewegten sich leicht in der Strömung, sodass es im allerersten Moment aussah, als winke er mit letzter Kraft um Hilfe, aber das war natürlich unmöglich. Er war tot. Das Wasser in seiner unmittelbaren Nähe hatte sich rosa gefärbt, und seine linke Hand war zerschmettert; vielleicht vom Sturz auf einen Felsen, der unter der Wasseroberfläche gelauert hatte, vielleicht auch durch die pure Kraft des Wasserfalls zermalmt.
    Behutsam näherte er sich dem Ufer, watete bis zu den Knien ins Wasser und ließ seinen Blick für eine geraume Weile über die Wellen schweifen, bevor er es wagte weiterzugehen. Dass der Tote scheinbar reglos im Wasser trieb, schien zu beweisen, dass es an dieser Stelle keine gefährlichen Unterströmungen und Wirbel gab, aber er hatte schließlich am eigenen Leib erlebt, wie tückisch das Wasser war — und da war auch noch das Ungeheuer, das am Grunde des Sees lebte. Dass es den Toten verschmäht hatte, bedeutete nicht, dass es nicht da war. Vielleicht fraß es ja nur lebende Beute.
    Etwas berührte sanft seine Hüfte, als er weiterging und sich der Gestalt näherte, die leblos im Wasser trieb, zog sich aber zu schnell zurück, als dass er auch nur richtig Zeit gefunden hätte zu erschrecken. Trotzdem beeilte er sich den Toten an Land zu zerren. Es fiel ihm erstaunlich leicht. Der Mann war ungefähr so groß wie er und von kräftigem Wuchs, musste also relativ schwer sein, doch er spürte sein Gewicht kaum.
    Ohne spürbare Anstrengung zog er den Leichnam ans Ufer und ein Stück weit die Felsen hinauf. Als er fast aus dem Wasser heraus war, spürte er Widerstand. Er zog noch einmal und kräftiger — und ebenso vergebens — drehte den Kopf und sah etwas, was ihn im Nachhinein erschrecken ließ: Ein daumendicker, schwarz glänzender Strang hatte sich um den Knöchel des Toten gewickelt und hielt ihn mit eiserner Kraft fest.
    Er ließ den Toten los, ging wieder zum Wasser und versuchte den Tentakel zu lösen, aber der Fangarm saß so fest, als wäre er mit dem Bein des Toten verwachsen. Er brauchte ein Werkzeug; vielleicht einen scharfen Stein. Er ließ los, ließ seinen Blick suchend über die Felsen streifen und entdeckte etwas weit Besseres: Der Tote trug einen schmalen Dolch im

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