Enwor 11 - Das elfte Buch
und vielleicht auch zu geschockt dazu, um diesen Moment zu einem Befreiungsversuch zu nutzen. Skar kochte vor Wut und er wollte nichts weiter, als mit Esanna, Kama und dem Buch von hier verschwinden, und sie musste spüren, dass er sich durch nichts aufhalten lassen würde, was ihn nicht wirklich gleich im ersten Ansatz zu Boden schmetterte. Sie stürmten an zwei Satai vorbei, die gekrümmt vor Schmerzen am Boden lagen, aber immerhin noch lebten. Skar verschwendete nicht einmal einen Blick an sie, sondern hatte nur Augen für die Gestalt, die wenige Meter hinter ihnen lag.
»Kama!«, schrie er. »Verdammt!«
Er hielt Marnas Handgelenk so fest umklammert, dass ihr gar nichts anderes übrig blieb, als mit ihm in die Hocke zu gehen, als er sich neben den Nahrak hinkniete.
»Kama«, stammelte Skar. »Bist du in Ordnung?«
Die Lippen des Nahrak formten Worte, die vom Brüllen des Feuers hinweggerissen wurden, und seine Hände vollführten hektische, sinnlos erscheinende Bewegungen.
»Wo ist Esanna?«, brüllte Skar so laut, dass seine Stimme mühelos das Tosen und Dröhnen um sie herum übertönte.
Im ersten Moment war der Blick des Nahrak leer und alles, was er darin las, war Angst. Dann blitzte Erkennen in seinen Augen auf; er keuchte, stemmte sich in eine halb sitzende, halb liegende Position hoch und umklammerte seinen Oberarm so fest, dass Skar überrascht zusammenzuckte. »Das Buch!«, keuchte er. »Such das Buch! Und dann flieh!«
»Nicht ohne dich«, sagte Skar, löste seine Hand und richtete sich auf. »Hilf mir, Marna. Wir müssen ihn von hier fortbringen.«
»Wen glaubst eigentlich vor dir zu haben«, zischte Marna. »Ich bin doch keinen Lastenträger.«
»Das… Buch«, stammelte Kama. »Lass mich hier… liegen. Nimm das Buch… und flieh. Sie wollen nur dich!«
»Da könnte etwas Wahres dran sein«, sagte Marna und beugte sich zu Kama hinab. Zuerst glaubte Skar, sie wollte ihm helfen, doch schon bei ihren nächsten Worten erkannte er seinen Irrtum.
»Tu mir einen Gefallen und bring diesen stammelnden Idioten zum Schweigen«, sagte sie, während sie sich wieder aufrichtete. Jede Spur von Gefühl war aus ihrer Stimme gewichen und ließ ein Gefühl der Kälte und Distanz entstehen und ganz am Rande seines Verstands begriff Skar plötzlich, wie diese noch recht junge Frau die Herrschaft über die Satai hatte an sich reißen können.
»Ein Rufer«, sagte sie anerkennend, während sie sich von Kama wegdrehte, der offensichtlich wieder das Bewusstsein verloren hatte — schnell aber nicht so schnell, als dass Skar nicht noch einen Blick auf das glänzende Stück Metall in ihren Händen hätte erhaschen können. »Ich habe gar nicht geglaubt, dass es so etwas wirklich gibt.«
»Was soll das?«, sagte Skar scharf. »Leg das sofort weg!« Marna schüttelte den Kopf. »Aber nicht doch«, sagte sie so leise, dass ihre Stimme fast in dem Krach und Tosen um sie herum unterging, »ich kenne mich aus mit diesen Teilen. Das Studium der geheiligten Bücher war mir immer wichtiger als das Erlernen roher Gewalt. Vertrau mir, Skar.«
Sie ging einen halben Schritt zur Seite — nicht so weit, dass er sie instinktiv gepackt und zurückgerissen hätte —und drehte sich weiter ab, und bevor er irgendetwas dagegen machen konnte, hantierte sie mit geschickt wirkenden Bewegungen an dem Teil herum.
»Dir vertrauen?« Skar hätte beinahe laut losgelacht.
In diesem Moment kehrte der
Frarr
zurück. Die Quorrl und Satai waren zu routinierte Krieger, um dem Monstrum kampflos das Feld zu lassen. Wer noch auf den Beinen war und eine Armbrust oder einen Bogen zur Hand hatte, bezog Stellung, nutzte ein totes Pferd, einen Baum oder die Leichen seiner Kameraden als Deckung. Der Drache schoss heran wie die Leib gewordene Verheißung alles Übel und alle Not auf dieser Welt mit dem Tod zu ahnden, und sein Feueratem fegte mit unbändiger Gewalt über die Bogenschützen hinweg, schmorte sie mitsamt ihrer Deckung weg, brannte sie wie Ungeziefer aus, bevor sie auch nur dazu kamen, einen einzigen gezielten Schuss abzugeben. Skar starrte gleichermaßen fasziniert wie entsetzt auf das Vernichtungswerk des Untiers, das nicht gewillt zu sein schien von seinem Wüten abzulassen, bis sämtliche Quorrl und Satai vernichtet waren. Kaum hatte es mit seinem heißen Atem eine Schneise der Vernichtung in den auseinander gerissenen Tross gebrannt, da zog es auch schon wieder ab und drehte über dem Tempel eine lang gestreckte Kurve, die es
Weitere Kostenlose Bücher