Du bist mein Star!
1. Kapitel
Sie hielt Dynamit in ihren Händen.
Kein echtes Dynamit, aber etwas ähnlich Explosives. Laras Finger zitterten, als sie auf den Brief blickte. Über ihrem Kopf warfen die prachtvoll verzierten Kronleuchter der Marabanischen Botschaft ihr funkelndes Licht auf das Blatt Papier, welches das Leben so vieler Menschen verändern konnte.
Falls es die Wahrheit war.
Lara schluckte trocken und überlegte, ob sie den Brief überhaupt hätte aufmachen dürfen – aber gehörte es nicht zu ihrem Job als Aushilfssekretärin, die Post zu öffnen? Ein Job, der ihr bis vor zehn Minuten als ideale Überbrückung erschienen war. Ihre Anstellung war überaus ein Segen für die Botschaft gewesen, da die eigentliche Mitarbeiterin plötzlich erkrankt war, und auch ein Segen für Lara – in letzter Zeit hatte es nicht gerade Aufträge gehagelt. Als Model und Schauspielerin hatte sie in den vergangenen Wochen so viel "pausiert", dass sie sich manchmal fragte, warum sie sich morgens eigentlich die Mühe machte noch aufzustehen.
Das Schreiben war in einem etwas weitschweifigen Stil abgefasst, ob dies von dem Alter der Absenderin oder dem emotionsgeladenen Inhalt herrührte, vermochte Lara nicht zu entscheiden. Der Brief war dem Datum nach über zwei Jahre alt, aber offenbar erst kürzlich aufgegeben worden, da er erst an diesem Morgen eingetroffen war.
Ob es sich um eine Fälschung handelte? Möglicherweise.
Sie las ihn noch einmal langsam durch und achtete auf jedes unglaubliche Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte Ihnen mitteilen, dass mein Sohn Darian Wildman der Nachkomme des verstorbenen Scheichs Makim, König von Maraban, ist. Der Scheich wusste nichts von seinem unehelichen Kind, und Darian hat ebenfalls keine Ahnung von der Identität seines leiblichen Vaters. Wenn Sie diese Zeilen lesen, bin ich bereits tot, doch ich bringe es nicht über mich, ein so wichtiges Geheimnis mit ins Grab zu nehmen.
Unten finden Sie die Anschrift meines Sohnes. Ich ermächtige Sie, diese Information nach Ihrem Gutdünken zu verwenden.
Hochachtungsvoll
Joanna Wildman
Unter der Unterschrift stand der Name "Darian Wildman" und darunter eine Anschrift. Eine Geschäftsadresse in London.
Mit bebenden Händen schob Lara den Brief zurück ins Kuvert. Dies war hoch brisantes Material. Allerdings hatte sie inzwischen gelernt, dass Dramen und Intrigen untrennbar mit Maraban verbunden waren. Ihre beste Freundin Rose hatte Prinz Khalim von Maraban geheiratet, und durch sie hatte Lara Einblicke in einen völlig anderen Lebensstil gewonnen.
Was hätte ein anderer getan, wenn er diesen Brief zufällig geöffnet hätte? Ihn vernichtet und dann vergessen? Schließlich bedeutete die Existenz eines unbekannten Bruders eine Bedrohung für Khalim und das Land. Womöglich war er älter als Khalim und versuchte, ihn zu stürzen.
Der Verdacht war gar nicht so weit hergeholt. Das in den Bergen gelegene Königreich Maraban weckte tiefe, dunkle Leidenschaften, die mit seiner Schönheit und der bewegten Geschichte Hand in Hand gingen.
Als Lara sich erhob, fiel ihr Blick auf den Spiegel über dem Kamin. Sie sah blass aus. Beinahe verstört. Als wäre sie einem Geist begegnet. In gewisser Weise stimmte das sogar. Sie war ihm zwar nicht begegnet, aber sie hatte von ihm erfahren.
Prinz Khalim hatte einen Bruder!
Warum hatte nicht jemand anders den Brief geöffnet? Dann befände sie sich jetzt nicht in dem schrecklichen Dilemma, eine Information zu haben und nicht zu wissen, was sie damit anfangen sollte.
Alles wäre so einfach, wenn der Prinz nicht mit Rose verheiratet wäre. Ob Lara wollte oder nicht, sie war in die Sache verwickelt, seit sie den Inhalt des Schreibens gelesen hatte. Sie schaute hinaus auf den grauen Herbsttag. Der Londoner Verkehr wälzte sich langsam vorbei, der Straßenlärm wurde von den schusssicheren Fensterscheiben gedämpft. Ihre Gedanken kehrten zu ihrer Freundin zurück.
Manchmal schien es ihr noch immer unfassbar, dass Rose jetzt eine Prinzessin war, in Maraban lebte und Khalim an ihrer Seite das Land regierte. Rose war ein einfaches Mädchen gewesen – genau wie Lara –, und welche Wendung hatte ihr Schicksal genommen! Sogar heute noch war alles wie ein Märchen.
Das allerdings wahr geworden war.
Genau wie der Brief geschrieben worden war und Lara ihn aufgemacht hatte.
Es könnte eine Lüge sein. Eine Fälschung. Die Verfasserin könnte völlig verrückt sein. Eine Erpresserin. Eine
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