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Enwor 2 - Die brennende Stadt

Enwor 2 - Die brennende Stadt

Titel: Enwor 2 - Die brennende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Reisigbündel auf das der anderen und ließ sich seufzend neben Arsan nieder. Seine Hand tastete unter dem Umhang nach dem schmalen Lederbeutel, ohne daß er sich der Bewegung überhaupt bewußt wurde. Er hatte in den letzten Wochen oft danach getastet, sehr oft. Seine Fingerspitzen kannten jede winzige Einzelheit des Brustbeutels, jede Narbe, jeden Riß, jede Unebenheit des Materials. Und sie spürten mit schmerzlicher Deutlichkeit, wie dünn der Beutel geworden war. Der Weg durch die Berge hatte auch an ihm gezehrt.
    »Ich bin froh, wenn alles vorbei ist«, murmelte Arsan. Skar sah auf, aber Arsan starrte aus leeren, blicklosen Augen zu Boden. So war Skar sich nicht einmal sicher, ob die Worte überhaupt ihm galten.
    Skar hatte den schmalen, kleinwüchsigen Kohoner an Bord der Sharokaan kennengelernt, jenes Freiseglers, mit dem sie nach seiner geglückten Flucht aus Ikne den Großteil des Weges zurückgelegt hatten: den Besh hinauf, vorbei an den Sümpfen von Cosh bis weit in den Norden. Das Schiff war zu schwerfällig und zu groß gewesen, um sie ganz bis an die Schattenberge, in denen der Besh entsprang, zu bringen, aber sie hatten immerhin zehn Tage an Bord des Dreimastseglers zugebracht; das letzte Mal, daß sie wirklich ausreichend gegessen und geschlafen hatten. Arsans vor Schmerzen und Erschöpfung eingefallenes Gesicht erinnerte Skar trotz aller Unter-schiede an Rayan, den Kapitän und Eigner der Sharokaan. Rayan war älter und wog gut das Doppelte, wenn nicht noch mehr, aber er und Arsan hatten die gleichen Augen. Hungrige Augen, Augen, in denen ein unstillbares Feuer brannte, das Skar gleichermaßen erstaunte wie ängstigte.
    »Es wird gleich wärmer«, erwiderte er in Ermangelung einer besseren Antwort.
    Arsan schüttelte den Kopf, nahm eine Handvoll Schnee auf und ließ die nassen Flocken wie klebrigen Sand durch die Finger rinnen. »Es wird nie mehr wärmer«, sagte er. »Du bildest dir vielleicht ein, daß es wärmer wird, aber das stimmt nicht.« Er lachte, leise und hart und in einem Ton, der Skar erschauern ließ, verschränkte die Hände vor den angezogenen Knien und sah auf. Ein dünnes, resignierendes Lächeln flog über sein Gesicht. »Wir werden sterben, weißt du das?«
    Skar antwortete nicht.
    Arsan schien sein Schweigen als Zustimmung zu deuten. »Du weißt es. Wir sind schon tot. Wir wissen es nur noch nicht. Oder vielleicht wissen wir es schon und wollen es nur nicht wissen. Wir sind schon tot. Zehn lebende Tote, die nur aus reiner Sturheit noch nicht umgefallen sind.«
    »Hör auf«, brummte Skar.
    Arsan schüttelte den Kopf. »Ich hätte nie hierherkommen dürfen«, sagte er ruhig. »Nie.« Er lachte wieder, aber diesmal hörte es sich mehr wie ein unterdrücktes Schluchzen als wie ein menschliches Lachen an. »Warum sind wir eigentlich hier?« murmelte er so leise, daß Skar Mühe hatte, die Worte zu verstehen. »Warum bist du hier, Skar? Geld? Macht? Eine Frau?« Er lachte erneut, lauter und bitterer diesmal. »Willst du wissen, warum ich hier bin, Skar?« Skar schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Geld«, sagte Arsan. »Ich bin wegen Geld hier. Viel Geld, Skar, mehr, als ein Mann wie ich in seinem ganzen Leben verdienen könnte. Weißt du, daß ich der einzige von euch allen bin, der vorher ein ganz normales Leben geführt hat?«
    Skar schnitt eine Grimasse. »Hör auf, Arsan. Du bist müde und genauso erschöpft wie wir alle. Rede dir nichts ein.«
    »Ich bin nicht müde«, widersprach Arsan. »Ich war noch nie so klar wie jetzt. Ich habe mich mein Leben lang wie ein Idiot benommen, und die größte Idiotie von allen war, hierherzukommen. Eigentlich ist es nur gerecht, wenn sie mich umbringt. Ich bin aus Geldgier hier, aus keinem anderen Grund. Dabei hätte ich es besser wissen müssen.« Er stockte wieder, sah eine Zeitlang zu Boden und schluckte mühsam. »Ich war immer arm, weißt du. Wirklich arm.« Skar lächelte. »Aber glücklich?« fragte er scherzhaft.
    Arsan blieb ernst. »Nein, Skar. Der Mann, der den Spruch
Arm, aber glücklich
erfunden hat, muß ein sehr reicher Mann gewesen sein. Wer arm ist, ist nicht glücklich. Du kannst nicht glücklich sein, wenn du dich vor Hunger übergibst. Ich war arm, und ich dachte, ich hätte eine Chance. Ich hätte es besser wissen müssen.«
    Skar suchte vergeblich nach irgend etwas, das er Arsan hätte sagen können. Es gab nichts. Er konnte niemandem Trost zusprechen, wenn in seinem Inneren nichts als Leere und hilfloser Haß war.
    »Und

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