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Enwor 2 - Die brennende Stadt

Enwor 2 - Die brennende Stadt

Titel: Enwor 2 - Die brennende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zentnerschwere Steinplatte lastete auf seiner Brust. Er versuchte zu atmen, aber das Gewicht des Felsens preßte seinen Brustkorb zusammen, marterte jede Faser seines Körpers, als wäre der Himmel selbst herabgestürzt, um ihn mit seinem Gewicht zu zermalmen. Er wollte schreien, aber auch das ging nicht. Sein Körper war starr, gelähmt, ein einziger grauenhafter Krampf. Er konnte nicht atmen, erstickte, aber seltsamerweise lebte er noch, lebte trotz des mörderischen Drucks auf seiner Brust und der quälenden Leere in seinen Lungen. Es war wie ein nie endender Tod, ein ununterbrochenes, qualvolles Sterben, dem die letzte Erlösung vorenthalten blieb. Er öffnete den Mund, schnappte hilflos nach Luft und bäumte sich gegen das unsichtbare Gewicht auf. Seine Lungen schienen zu bersten. Flüssiges Feuer begann seinen Körper von innen heraus zu verbrennen. Er bäumte sich wieder auf, stemmte sich mit der ganzen gewaltigen Kraft seines Körpers gegen 
den Druck und sank mit einem lautlosen Schrei zurück. Seine Anstrengungen schienen den stählernen Ring um seine Brust nur noch mehr zusammenzuziehen. Der Boden, auf dem er lag, fühlte sich mit einem Mal weich und nachgiebig an und doch zugleich fest, wie eine zähe, gummiartige Masse, in die Skar Millimeter für Millimeter hineingepreßt wurde. Er keuchte, bekam plötzlich und unerwartet wieder Luft und versuchte aufzuspringen, aber statt des tödlichen Drucks war nun etwas unter ihm, etwas, das ihn festhielt und ihn mit dergleichen Kraft, mit der er vorher zu Boden gepreßt worden war, hinabsog. Er sah an sich hinunter. Sein Körper war nur noch zum Teil da, fast zur Hälfte verschwunden. Wo seine Beine gewesen waren, brodelte jetzt ein schwarzer See, und er sah jetzt, daß er nicht auf Felsen, sondern auf einer dunklen, amorphen Masse lag, einer scheinbar endlosen Fläche kleiner viel füßiger Dinger, Käfer, Spinnen, Schaben aus schwarzem, glänzendem Chitin, die sich in einer majestätischen, langsamen Bewegung über seinen Körper schoben, ihn auffraßen, einsogen, absorbierten…
    Skar erwachte mit einem keuchenden Schmerzenslaut. Die Schrecken des Alptraumes wichen wie Morgennebel, der vom Sturm hinweggeweht wurde, aber in seinem Inneren blieb noch ein kleiner Rest des dumpfen Druckes, etwas, das nicht zu dem Traum, sondern zu ihm selbst gehörte, ein dunkler Begleiter, seit vierzig Tagen in ihm und jeden Morgen ein wenig schlimmer und kraftvoller werdend. Die Nacht war gewichen, und es war hell geworden, der Himmel war blau, fast weiß, und die Farben schienen irgendwie falsch, verschoben in eine Richtung, die nicht mehr zu dieser Welt gehörte. Graue, bebende Fäden krochen wie lebendige Spinnweben durch Skars Körper, woben sich um sein Gehirn, seine Augen ... Er stöhnte. Seine Hand schmerzte, er fror so erbärmlich, daß er trotz der drei Decken und des noch immer lodernden Feuers am ganzen Leib zitterte. Er hob die Hand, griff mühevoll nach dem Brustbeutel und nestelte an dessen Verschluß herum. Seine Finger gehorchten ihm nicht, nicht so, wie sie es sollten, und das graue Netz in seinem Inneren wurde dichter. Wieder hatte er das Gefühl, ersticken zu müssen, aber diesmal bekam er wirklich keine Luft mehr. Er öffnete den Beutel, nahm eine der glatten braunen Kugeln zwischen die Fingerspitzen und führte sie zum Mund. Er hatte seine Gesichtsmuskeln nicht mehr unter Kontrolle. Seine Lippen bebten. Ein dünner Speichelfaden lief aus seinem Mundwinkel, versickerte in seinem Pelz, ließ diesen feucht und kalt und hart werden.
    Er schluckte krampfhaft, schloß die Augen und wartete darauf, daß die Wirkung einsetzte. Es dauerte lange. Seit dem ersten Mal dauerte es jedesmal länger, bis das Gegengift wirkte. Sein Körper begann sich daran zu gewöhnen, und er hätte sich, wenn er dem Gedanken nicht voller Panik ausgewichen wäre, den Tag ausrechnen können, an dem er zwei statt eine der braunen Kugeln würde nehmen müssen.
    Skar richtete sich mühsam in eine halb sitzende, halb hockende Stellung auf. Seine Muskeln waren verspannt und schmerzten, und als er in die Runde blickte, sah er, daß es den anderen nicht besser erging. Trotz des Feuers hatte sich die Kälte eingeschlichen, hatte wie ein kleines listiges Tier die Barriere aus Flammen und knisternder Wärme übersprungen und ihre Körper taub und steif werden lassen; nicht so sehr, um sie wirklich in Gefahr zu bringen, aber ausreichend als Warnung, als stummer Hinweis, daß sie hier in ihrem Reich

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