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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schien nicht einmal einen Kratzer zu haben.
    Wimmernd vor Schmerz bückte er sich nach seiner Waffe, aber der Sumpfmann war schneller. Er warf Del von den Schultern, raffte das Schwert auf und schlug beidhändig und mit der ganzen unmenschlichen Kraft seines Körpers zu. Die Klinge krachte gegen einen Baumstamm, sprang zurück und hackte fast im gleichen Moment erneut in den entstandenen Riß. Der Baum wankte. Kristallspinnen und Bruchstücke regneten wie Dolche aus seinem Geäst und ließen Skar und Gowenna zurückspringen. Ein langer, dreieckiger Splitter bohrte sich in El-tras Schulter und blieb zitternd stecken, und ein Dutzend Spinnen begann über seinen Körper zu kriechen und ihn einzuweben. Er beachtete sie nicht. Immer und immer wieder schwang er die Waffe, schlug er mit einer Gewalt, die Skar beinahe mehr erschreckte als das Treiben um sie herum, zu, und hackte einen Keil aus dem Stamm. Wieder erzitterte das gewaltige Kristallgewächs, bebte, schrie seinen Schmerz in hohen, klagenden Tönen hervor. Aber selbst die Kraft des Sumpfmannes schien dem Treiben der Spinnen — der Macht des Steines, der Gedanke schoß mit schmerzhafter Wucht durch Skars Kopf — nicht gewachsen zu sein. Der Baum neigte sich nach einem letzten gewaltigen Hieb, kippte langsam zur Seite und blieb, lange bevor er den Boden erreichte, vom Griff der Netze gehalten, hängen. El-tra stieß einen wütenden Schrei aus, sprang vor und hackte wie ein Rasender auf die singenden Stränge ein. Der Baum zitterte, fing sich noch einmal und stürzte dann vollends zu Boden.
    »Lauft!!«
    Noch während El-tra zurückeilte, um Del zu holen, rannten Gowenna und Skar los. Die Lücke begann sich bereits wieder zu schließen, aber sie schafften es, wenn auch keiner von ihnen hinterher genau zu sagen wußte, wie. Neue Netze wehten ihnen entgegen, keine starren Wände diesmal, sondern dünne, bewegliche Gespinste, die sich wie Altweibersommer um ihre Glieder und auf ihre Gesichter legten, sie zu fesseln und zu ersticken trachteten, als hätte der Wald eingesehen, daß er seine Taktik ändern mußte, um seiner Opfer habhaft zu werden. Skar schlug schreiend um sich, riß sich Hände und Arme an dem gläsernen Gewebe blutig und taumelte, blind den beiden Schatten folgend, in die sich Gowenna und El-tra verwandelt hatten, weiter. Der beißende Schaumteppich auf dem Boden reichte ihm jetzt bis an die Oberschenkel, und bei jedem Schritt schoß eine feurige Lohe durch seine Beine; er schwang seine Waffe wie eine Sense und spürte, wie das Gespinst rascher nachwuchs, als er es kappen konnte. »Lauf, Skar!« Gowennas Stimme war voller Blut, und sie drang durch einen Nebel von Glas zu ihm. Er wankte, schlug blindlings um sich, prallte gegen ein Hindernis, riß sich die Seite auf und fühlte, wie etwas beißend und eisig seinen Nacken hinunterlief.
    Und dann war es vorbei. Plötzlich war der Wald wirklich Wald, die Bäume grün und schwarz, wie sie sein sollten, der Boden weich und federnd, nicht mehr länger aus schneidenden Messern gemacht, und es gab keine Kristallspinnen und keine Netze mehr.
    Nur noch Schmerz. Der Schmerz war ihm gefolgt wie ein dunkler Bruder des Waldes. Alles um ihn herum begann sich zu drehen, zu wanken; der Boden zitterte. Aber noch bevor er merkte, daß diesmal er es war, der wankte, verlor er endgültig das Bewußtsein.
    E r erinnerte sich hinterher kaum, wie er die nächsten drei Tage verbrachte. Er war nicht die ganze Zeit bewußtlos, aber doch in einem Zustand, der dem der Bewußtlosigkeit sehr nahekam. Es gab Zeiten des Schmerzes und Zeiten, in denen er taub und jenseits aller Gefühle dahindämmerte, vage Laute und Geschehen um sich wahrnahm aber nicht wirklich begriff, was vorging.
    Das erste, was er wieder bewußt wahrnahm, war Kälte; nicht die beißende Eisigkeit Tuans, sondern ein klammes, feuchtes Gefühl wie Nebel. Er öffnete die Augen und sah ein durchbrochenes Blätterdach über sich, kunstvoll verwobene Zweige, mit Erdreich und Moos abgedeckt, aber so alt, daß es schon wieder zu verfallen begann. Sein Kopf fühlte sich seltsam leicht an, und er spürte, daß Zeit vergangen war. Viel Zeit. Er lag auf einem niedrigen, aus Moos und geflochtenen Grasbüscheln gefertigten Lager; eine dünne, aus braunen Pflanzenfasern geknüpfte Decke war über seine Beine gebreitet, und in seinen Füßen pochte ein sanfter, beinahe wohltuender Schmerz. Er setzte sich auf, schlug die Decke zurück und begutachtete seine Beine. Bis zu den Knien

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