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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einen Kokon haarfeiner gläserner Fäden einspannen. Sie schienen überall zugleich zu sein — je weiter sie liefen, desto dichter wurde das Gewebe, und ein paarmal brach El-tra mit sichtlichem Kraftaufwand durch große, wehende Vorhänge aus gläserner Seide, die quer zwischen den Bäumen gesponnen waren und den Zwischenraum wie blitzender Nebel ausfüllten. Eine der Glasspinnen fiel direkt auf Skars Hand; er versuchte instinktiv, sie abzustreifen, aber es ging nicht. Sie saß auf seiner Haut wie festgeklebt, bewegte sich träge und hinterließ eine Spur eisiger tauber Kälte auf seinem Arm. Skar fluchte, griff noch einmal zu und riß das Ding mit aller Kraft herunter. Auf seinem Arm blieb ein runder, blutiger Fleck von der Größe eines Fingernagels zurück, aber er sah jetzt auch, daß die Spinne keine wirkliche Spinne, sondern ein tropfenförmiger, glatter Kristall ohne sichtbare Vorsprünge oder Unregelmäßigkeiten war. Sein Inneres war von vager, unbestimmbarer Bewegung erfüllt, und aus seinem spitzen Ende drang ein haarfeiner, glatter Faden, der bei der leisesten Berührung zerriß. Skar schleuderte den Stein, von plötzlichem Widerwillen erfüllt, von sich, und rannte geduckt und den wehenden Netzen im Zickzack ausweichend, weiter.
    Es wurde schlimmer, je weiter sie kamen. Die Glasspinnen mußten überall gleichzeitig, vielleicht wirklich in dem gesamten Waldgebiet, mit ihrem Werk begonnen haben, und so winzig sie waren, so unendlich schien ihre Zahl. Das Durchkommen wurde bald zur Qual, und selbst El-tras ungeheure Kraft reichte nicht mehr immer, um die schimmernden Netze zu zerreißen, so daß Skar nach einer Weile wieder die Führung übernahm und wie wild mit seinem Schwert um sich schlug und hackte. Und auch auf dem Boden waren die geschäftigen Spinnen am Werk. Skars Schritte waren von einem nicht endenwollenden Klirren und Bersten begleitet; er watete durch ein erst nur fingerdickes, dann bis an die Knöchel und schließlich bis zu den Knien reichendes Unterholz aus gläsernen Fäden und nadelspitzen Dornen. Seine Beine begannen unerträglich zu schmerzen, und als er an sich herabblickte, sah er, daß seine Stiefel in Fetzen hingen und seine Haut zer-schunden und blutig war; er sah aus, als trüge er glitzernde rote Strümpfe. Auch Gowenna und dem Sumpfmann erging es nicht besser. Ihre Schritte hinterließen blutige Fußabdrücke in der weißen Decke.
    Dann erreichten sie eine Stelle, an der es kein Weiterkommen mehr zu geben schien. Die Zwischenräume zwischen den Bäumen waren ausgefüllt von Netzen, die so dicht waren, daß sie wie eine kompakte gläserne Wand wirkten. Skar schlug beidhändig mit dem Tschekal zu und legte all seine verbliebene Kraft in den Hieb. Die Klinge riß eine lange Scharte in die Wand, eine Platte der gläsernen Subtanz löste sich und fuhr dicht vor Skars Füßen wie eine durchsichtiges Fallbeil in den Boden. Aber die Glasspinnen waren überall; ihr geschäftiges Hin und Her füllte die Lücke fast im gleichen Tempo, in dem sie entstanden war — ein Vorgang, der so bizarr war, daß Skar eine Sekunde reglos stehenblieb und zusah. Es war wie das allmähliche Wachsen einer Schneeflocke, nur unendlich größer und rascher: Einzelne Kristalle, gewoben aus unzähligen einzelnen Fäden, wuchsen zu Gruppen zusammen, bildeten blitzende Schrägen und Facetten, vereinigten sich zu Stegen und Brücken, über die neue Fäden fielen und die Zwischenräume ausfüllten.
    »Skar!« Gowennas Schrei riß ihn abrupt in die Wirklichkeit zurück. In seinen Beinen tobten Schmerzen. Es war, als würde seine Haut von tausenden winziger Zähne heruntergerissen.
    »Lauf, Skar!« schrie Gowenna. »Es ist der Stein! Sie setzt die Macht des Steines gegen uns ein!« Und als wären ihre Worte ein Signal gewesen, wurde es schlimmer. Eine klirrende Woge der gläsernen Weber rollte heran, breitete sich wie fallender Schnee über Bäume und Boden aus und begann auch die Lücke, durch die sie gekommen waren, zu füllen. Skar schrie auf, als er erkannte, daß sie plötzlich in einer Falle saßen, einer Falle, die sich rascher schloß, als er zu reagieren imstande war. Er wußte, daß er es nicht schaffen würde; trotzdem rannte er los, warf sich mit einem krächzenden Schrei gegen das Netz, das plötzlich da war, wo es vor Sekunden noch einen Durchgang gegeben hatte, und schlug wie ein Tobender zu. Das Tschekal sprang mit einem hellen Klingen zurück und wurde ihm aus der Hand geprellt. Die gläserne Wand

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