Enwor 5 - Das schwarze Schiff
es.«
»Wer sagt dir, daß ich es nicht bin?« antwortete Gowenna. Plötzlich schüttelte sie den Kopf, rückte ein Stück näher an ihn heran und berührte ihn ihrerseits am Arm. Ihr Griff war warm und fest. Stark wie der eines Mannes. »Was muß noch geschehen, bis du begreifst, daß ich nicht dein Feind bin, Skar? Du hast es selbst gesagt — wir gehören zusammen. Nicht als Mann und Frau. Das haben wir versucht, aber ich glaube nicht, daß ein zweiter Versuch viel Sinn hätte. Er... würde uns nur weh tun, uns beiden. Aber wir stehen auf der gleichen Seite.« »Wirklich?«
Sie nickte.
»Warum bist du dann nicht endlich ehrlich zu mir?« fragte Skar.
»So wie du zu mir?«
Skar lächelte bitter. »Ich habe dir gesagt, daß ich dir nicht traue.« »Sicher — wenn du das mit dem Wort Ehrlichkeit bezeichnest...«
Sie zuckte mit den Achseln und zog die Hand zurück. Plötzlich mußte Skar mit aller Gewalt gegen den Impuls angehen, sie an sich zu reißen und festzuhalten. »Du warst in Elay«, fuhr Gowenna fort. »Du hast die Verbotene Stadt gesehen, und du hast ihre Macht gespürt, Skar. Du hast die Margoi gesprochen.« Das hatte er. Er war der Frau begegnet, die Vela auf dem Thron, den sie sich für wenige Wochen angeeignet hatte, gefolgt war, und obwohl es nur wenige Augenblicke gewesen waren und er nicht einmal ihr Gesicht gesehen hatte, war etwas in ihm vor der Ausstrahlung dieser Frau zurückgeschreckt. Es war... ja, jetzt, als er Gowenna so dicht wie selten zuvor in den letzten Monaten gegenübersaß und an die Margoi dachte, spürte er es deutlich: Es war das gleiche Gefühl gewesen, das er in ihrer Nähe hatte, nur ungleich stärker. »Glaubst du wirklich, ich könnte sie betrügen?« fuhr Gowenna fort. »Ich könnte dich betrügen, Del — vielleicht sogar die Sumpfleute, obwohl ich mir da nicht sicher bin. Aber sie nicht. Ich bin in ihrem Auftrag hier, und was ich tue, entspricht ihrem Willen. Sie vertraut mir, Skar.«
»Entspricht es auch dem Willen der Margoi, daß du Vela quälst?« »Tue ich das?« Sie drehte den Kopf und sah in die Richtung, in der Vela irgendwo in der Dunkelheit lag und schlief.
Skar machte eine unwillige Geste. »Spiel nicht mit mir«, sagte er.
»Du hast es getan.«
»Vielleicht hat es so ausgesehen, in deinen Augen, aber...«
»Dann sag endlich die Wahrheit!« unterbrach Skar sie zornig. »Verdammt, Gowenna, wir werden wahrscheinlich sterben, wir alle. Keiner von uns hat noch die Kraft, einen weiteren Tag in dieser Hölle durchzustehen. Sag mir, was hinter diesen Bergen auf uns wartet. Du weißt es.«
»Ich... kann es nicht«, murmelte Gowenna. »Ich... es geht nicht.
Ich kann dich nur bitten, mir zu vertrauen.«
»Ist es das Kind?« fragte Skar. Er sah, wie Gowenna unter seinen Worten wie unter einem Hieb zusammenzuckte. »Ist es das?«
»Du —«
»Ich habe es dir nie gesagt«, fuhr er fort, »aber Vela hat mir von diesem Kind erzählt. Sie sagte, es würde meine Macht erben, und es würde hundertmal stärker sein als ich. Ich habe ihren Worten damals keine Bedeutung zugemessen, aber vielleicht hätte ich es tun sollen. Ist es das?«
»Nein«, sagte Gowenna. Sie sprach ein wenig zu laut und ein wenig zu hastig, als daß er ihr glaubte.
»Wenn es so ist, wäre es besser, wir würden zusammenhalten, statt uns zu bekämpfen«, fuhr er ungerührt fort. »Es wird nämlich sterben, wenn nicht ein Wunder geschieht.«
»Vielleicht wäre es das beste«, murmelte Gowenna. Sie sah auf. Ihr Gesicht wirkte mit einem Mal maskenhaft und starr, und er wußte, daß seine Worte ihren Widerstand eher noch gestärkt hatten. »Du hast recht, Skar«, pflichtete sie ihm bei, plötzlich wieder ganz ruhig. »Die Männer halten keinen weiteren Tag durch, und auch wir nicht. Die Entscheidung wird morgen fallen. Deshalb solltest du versuchen zu schlafen. Ich gebe dir mein Wort, daß ich mich Vela nicht einmal nähern werde.«
Sie sprach nicht weiter, und nach einer Weile ließ sich Skar wieder zurücksinken und starrte von neuem die niedrige, feuchtglitzernde Decke an. Schatten und die Illusion von Wärme begannen ihn einzulullen. Er wehrte sich nicht dagegen, obwohl er Angst hatte einzuschlafen. Er wußte, daß die Träume wiederkommen würden, Träume, die mehr als normaler Alpdruck waren, eine Botschaft, die er nicht zu interpretieren wußte. Er wußte nicht einmal, ob sie ihm galt oder diesem
Ding
in ihm.
Trotzdem schlief er ein, aber es war kein richtiger Schlaf, sondern nur ein
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