Enwor 5 - Das schwarze Schiff
sie war hinter mir. Ich hatte ihr befohlen zurückzubleiben, und dann...« Er schüttelte den Kopf, verzog das Gesicht und hob die Hand an den Schädel. »Ich weiß nicht, was passiert ist«, gestand er. »Ich bekam einen Schlag, das ist alles, woran ich mich erinnern kann.«
»Gowenna?«
Del zog eine Grimasse. »Wer sonst?« Er versuchte sich aufzurichten, stöhnte wieder und schloß die Augen, stemmte sich aber trotzdem hoch. »Eines muß man ihr lassen«, sagte er gepreßt. »Sie schlägt zu wie ein Mann. Ich hoffe nur, sie kann ebensoviel einstecken, wenn ich sie wiedersehe.«
Skar schwieg verwirrt. Dels Worte klangen logisch — er und Gowenna waren allein dort oben gewesen, und bei aller Menschenähnlichkeit waren die Eiskrieger nicht in der Lage, sich so lautlos zu bewegen, wie es nötig gewesen wäre, um einen Mann wie Del überrumpeln zu können. Und vermutlich wäre er nicht mehr am Leben, hätte ihn die Faust eines dieser Giganten getroffen.
»Unterhalten könnt ihr euch später«, sagte Helth ungeduldig. »Wir müssen hier weg. Die beiden anderen können jeden Augenblick auftauchen.«
»Kaum«, murmelte Skar.
Helth trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, schlug seinen Umhang zurück und spielte mit seinem Schwert. »Wie meinst du das?«
Skar schwieg einen Moment. Helth' kraftvoller, rücksichtsloser Einsatz hatte ihn überrascht, und für einen Moment hätte er fast vergessen, in welchem Zustand der Vede war. Daß er so gut zu kämpfen verstand wie ein Satai, besagte nichts. Helth war mit seiner Selbstbeherrschung am Ende. Ein falsches Wort konnte genügen, ihn vollends zusammenbrechen zu lassen.
»Ich weiß, daß es sich verrückt anhören muß«:, begann er vorsichtig. »Aber ich glaube nicht, daß diese beiden wirklich kämpfen wollten.« »Du —« Helth brach ab und starrte ihn ungläubig an, aber Skar gab ihm keine Gelegenheit, weitere Fragen zu stellen.
»Du hast recht«, fuhr er fort. »Zum Reden ist später noch Zeit genug. Bleib einen Moment hier bei Del.« Er stand auf, nahm seine Waffe an sich und stieg ohne ein weiteres Wort der Erklärung die Wand empor. Es war leichter, als er befürchtet hatte. Von oben aus betrachtet hatten die Kraterwände glatt und wie poliert ausgesehen, aber es gab zahllose Risse und Vorsprünge, in denen seine Hände und Füße genügend Halt fanden; er brauchte kaum eine halbe Minute, um die drei Meter zu überwinden und sich mit einer letzten kraftvollen Anstrengung über die Kante zu ziehen.
Das ungute Gefühl in Skar wuchs, als er sich auf Hände und Knie hochstemmte und noch im Aufstehen seine Waffe zog. Er war allein. Das Sternenlicht war nicht sehr hell, aber es reichte, ihn seine Umgebung zumindest in groben Umrissen erkennen zu lassen. Von Gowenna war keine Spur zu sehen.
Skar blieb einen Moment lang hoch aufgerichtet und stumm am Rande des Kraters stehen und lauschte. Der Wind sang sein monotones Lied, doch darunter glaubte er andere Laute zu hören, aber er wußte nicht, ob sie wirklich da waren oder ob es nur seine überreizte Phantasie war, die ihm einen Streich spielte. Mißtrauisch blickte er um sich. Der Boden war hart gefroren; Eis glitzerte auf dem Fels wie ein dünner, nur halb durchsichtiger Panzer. Der Wind hatte den Schnee hier am Hang des Gebirges so schnell weggeblasen, wie er gefallen war. Es gab keine Spuren.
Skar sah sich aufmerksam um, machte ein paar Schritte und ging zu der Stelle zurück, an der Del gehockt haben mußte, als ihn der Hieb getroffen hatte. Es gab auch hier keine Spuren; der Boden war glatt und wie poliert. Ein perfekter Ort für jemanden, der einen Hinterhalt plante.
Es dauerte nur einen Moment, bis Skar der Fehler in diesem Gedanken auffiel. Gowenna konnte dies alles nicht geplant haben. Nicht, wenn nicht
sie
es war, die hinter dem Tun des Dronte steckte. Und sie war es nicht.
Etwas Dunkles glitzerte auf dem blinkenden Eis vor ihm. Skar bückte sich, streckte zögernd die Hand aus und tastete mit der Spitze des Zeigefingers danach. Es war Blut. Es war nicht viel, nur ein paar Tropfen; wahrscheinlich würde Del die Wunde schon am nächsten Morgen nicht mehr spüren. Aber er hatte Glück gehabt, trotz allem. Der drei Meter tiefe Sturz auf das stahlharte Eis hätte ihm auch das Genick brechen können. Er wollte sich wieder aufrichten und zum Kra-terrand zurückgehen, beugte sich aber dann noch einmal hinab und folgte der dünnen, glitzernden Spur aus dunkelroten Tropfen mit Blicken. Sie verlief ein
Weitere Kostenlose Bücher