Enwor 5 - Das schwarze Schiff
auf die Füße.
Helth erhob sich etwas langsamer. Er wankte. Sein Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt, und seine Hände zuckten ununterbrochen.
Er wollte etwas sagen, aber sein Mund war voller Blut, und er brachte nur ein krächzendes Geräusch zustande.
Langsam begannen sich die beiden Gegner wieder zu umkreisen.
Dels Arme pendelten lose vor seinem Leib, aber jeder übrige Muskel seines Körpers war bis zum Zerreißen angespannt. Er blieb stehen, spreizte die Beine und suchte auf dem Eis nach festem Stand. Auch Helth verharrte. Seine Hände waren jetzt vollends zu Klauen geworden, und der Blick seines unversehrten Auges loderte vor Haß. Skar spürte, daß seine Kraft noch lange nicht gebrochen war. Das unselige
Ding,
das von ihm Besitz ergriffen hatte, war so mächtig und wild wie im ersten Moment. Vielleicht stärker.
Er wollte aufstehen und Del zu Hilfe eilen, aber der junge Satai machte eine hastige Geste mit der Hand, als hätte er die Bewegung hinter seinem Rücken gefühlt, und Skar erstarrte wieder. Der Kampf verlagerte sich, ging von einer Sekunde zur anderen auf eine neue, unbegreifliche Ebene über. Skar spürte, wie
irgend etwas
in dem zerfetzten Bündel, das einmal ein Mensch gewesen war, zum Leben erwachte, etwas Dunkles, Pulsierendes und unendlich Böses mit unsichtbaren Linien puren Hasses nach Del griff...
...
aber er fühlte auch, wie die Kraft von Del abprallte und mit schmerzhafter Wucht zurückgeschleudert wurde...
Für einen kurzen, unendlich quälenden Moment hatte Skar ein furchtbares Empfinden des
dejä-vu,
schoben sich Bilder in seinen Geist, die nicht hierher gehörten und die er in die tiefsten Abgründe seiner Seele verbannt zu haben glaubte. Er sah sich wieder in einer winzigen Laubhütte am anderen Ende der Welt, fühlte die unsichtbare psionische Faust, die sich zum Schlag ballte, bereit, alles zu zerschmettern, was sich ihr in den Weg stellte. Die Gestalt Dels verschwamm vor seinen Blicken, wurde grau und unscharf, flackerte wie ein Trugbild.
Er stöhnte, versuchte die Augen zu schließen und konnte es nicht, sondern sah weiter zu, ein hilfloser Zeuge eines Kampfes zwischen zwei Wesen, von denen eines unbegreiflicher schien als das andere. Helth taumelte. Sein geschundenes Gesicht zuckte wie unter Schmerzen.
Aber auch Del wankte. Seine Hände hatten sich geöffnet, und sein Atem ging rasselnd und mühsam. An seinem Hals pochte eine Ader. »Skar...« Es war nicht Dels Stimme, auch wenn es seine Lippen waren, die den Namen formten. Skar sprang vollends auf, ergriff sein Schwert und lief los, im gleichen Moment, in dem auch Helth vorsprang und abermals nach seinem Gegner schlug. Del versuchte dem Hieb auszuweichen, aber Helth war zu schnell. Seine Faust traf Del zweimal hintereinander an Kopf und Brust und ließ ihn zusammenbrechen.
Skar warf sich mit einem verzweifelten Satz zwischen ihn und seinen unheimlichen Gegner, tauchte unter einem Hieb von Helth' Krallenhand hinweg und schlug blind zu. Er traf, aber der Schlag war schlecht gezielt, und Helth hatte sich im letzten Moment noch einmal zurückgeworfen: Die Klinge traf nicht seinen Hals, sondern hackte schräg über Wangenknochen und Schläfe in seinen Schädel und spaltete ihn.
Helth kippte mit einem sonderbar pfeifenden Laut nach hinten, griff sich an den Kopf und begann zu schreien. Skar setzte ihm nach, aber Helth trat nach ihm, kam torkelnd auf die Füße und versetzte ihm einen Stoß vor die Brust, der ihn zurücktaumeln und abermals zu Boden stürzen ließ.
Als er aufsprang, war der Vede verschwunden. Für einen kurzen Moment glaubte er seine Gestalt noch einmal zu sehen, dann schlossen sich die tanzenden Schleier um ihn; der Sturm hatte ihn verschluckt. Schweratmend ließ Skar seine Waffe sinken, blieb eine Sekunde reglos und mit geschlossenen Augen stehen und wartete darauf, daß das schmerzhafte Pochen in seiner Brust aufhörte. Als er sich umwandte, sah er, daß Del zusammengekrümmt im Schnee hockte, die Hand gegen den Hals preßte und Blut spuckte. Seine Gestalt schien zu flackern, und als er den Kopf hob und Skar anschaute, war sein Blick trüb. Sein Gesicht schien leblos, als wäre es nicht echt, sondern nur eine Maske, die aus Wachs gegossen war und allmählich ihre Form verlor. Skar blieb neben ihm stehen und starrte ihn schweigend fast eine Minute lang an. Die Männer kamen langsam näher, aber er beachtete sie nicht.
»Geht es wieder?« fragte er leise.
Del nickte. Auf seinen Lippen war Blut.
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