Enwor 5 - Das schwarze Schiff
liegt?«
»Ich weiß es nicht«, gab Gowenna gleichmütig zu. »Vielleicht eine weitere Eiswüste. Vielleicht das offene Meer... Aber es ist immer noch besser, wir gehen dorthin als in irgendeine andere Richtung.
Dein Einverständnis vorausgesetzt«, fügte sie spöttisch hinzu.
Skar spürte, daß sie auf eine Antwort wartete, aber er beschränkte sich auf ein kaum merkliches Nicken und blickte weiter zum Eiskanal hinüber. Er hatte keine Lust mehr zu diskutieren. Ihr Gespräch war sinnlos, diente allenfalls dem Zweck, einfach zu reden, die Stille und die bedrückenden Gedanken in ihrem Gefolge nicht übermächtig werden zu lassen.
Er drehte sich herum, blickte über das Deck der SHAROKAAN, die jetzt still und ruhig wie ein Geisterschiff dalag und wandte sich dann wieder dem Kanal zu. Erneut war dieser dumpfe, stöhnende Laut zu hören. Vielleicht nichts anderes als die Geräusche, mit denen sich das geborstene Eis bewegte, sich die mächtigen, aus ihrer vielleicht Jahrtausenden währenden Ruhe gerissenen Blöcke neu setzten, vielleicht aber auch etwas anderes.
Skar wehrte sich gegen den Gedanken, aber dadurch wurde es eher schlimmer. Die Angst hatte sich in seiner Seele eingenistet, und es war ein Feind, gegen den zu kämpfen sinnlos war. Etwas — irgend etwas —schien aus dem nebelverhangenen Korridor dort drüben herüberzuwehen, ein Ruf, eine lautlose, unhörbare Stimme, spinnenfingrige Geisterhände, die nach seiner Seele griffen und irgend etwas in ihm anrührten. Es war nicht das erste Mal, daß er dieses Gefühl hatte, aber es wurde stärker, mit jedem Mal, mit jeder Sekunde, jedem Atemzug, den er tat.
Und er spürte, wie irgend etwas in ihm antwortete...
Skar erschrak, so heftig, daß die Reaktion auf seinem Gesicht abzulesen sein mußte, denn er sah, wie Gowenna zusammenzuckte und ihn mit plötzlicher neuer Besorgnis beobachtete. Sie schien etwas sagen zu wollen, aber er hob rasch die Hand und schüttelte den Kopf.
Etwas in ihm erwachte, regte sich nach langer, langer Zeit wieder und antwortete auf den Ruf, der aus dem Wrack des Dronte zu ihm herübergetragen wurde, dumpf, dunkel und lockend, eine Stimme aus einer fremden, bedrohlichen, bizarren Welt, fremder noch als der Dronte mit all seinen Schrecken.
Und plötzlich wußte er auch, was es war. Plötzlich wußte er, was er die ganze Zeit über gespürt hatte, woher dieses widersinnige Gefühl des Vertrauten, Bekannten gekommen war. Bilder tauchten in seinem Geist auf, Bilder von bedrückender Realität, blitzartige Visionen: dunkle, auf seltsam falsche Weise gekrümmte Gänge und Stollen, Treppenschächte, die nicht für Menschen gedacht waren, Gänge und Räume, nach einer fremden, in den Augen schmerzenden Geometrie errichtet... Namen und Orte tauchten in seinem Geist auf, Erinnerungen, schmerzhaft und voller dumpfer Qual: Urcöun... das Labyrinth unter den gläsernen Ebenen...
Er hatte den Atem des Dronte schon einmal gespürt, in Urcöun, der verwunschenen Stadt am Rande der Nonakesh-Wüste, später in Velas unterirdischer Festung in Tuan.
Und er fühlte in sich, jetzt wie damals, wieder die gleiche böse Lust am Vernichten, am Zerstören und Töten, die ihn schon einmal zu überkommen gedroht hatte, dort, und später, beim Kampf mit dem schwarzen Satai am Rande des Schattengebirges. Er war ihr zweimal erlegen, und er hatte sie zweimal besiegt, aber er hatte auch gespürt, wie ungleich schwerer es beim zweiten Mal gewesen war.
Sein dunkler Bruder war erwacht. Er hatte geglaubt, ihn besiegt zu haben, aber das stimmte nicht. Er hatte ihn vertrieben, ihn tief, unendlich tief in seiner Seele vergraben, ihn hinter eine Mauer aus Selbstbeherrschung und Disziplin gesperrt, aber er war noch da, stark und mächtig wie eh und je. Und er wußte nicht, ob er ihn ein drittes Mal bezwingen konnte.
»Was hast du?« fragte Gowenna. Sie wirkte beunruhigt, beinahe schon ängstlich, und als er in ihr Gesicht sah, erblickte er darin einen besorgten Ausdruck, einen schwachen Abglanz seiner eigenen Furcht, des Schreckens, der ihn gefangenhielt.
»Nichts«, murmelte er schwach. »Es ist... nichts...«
»Du bist blaß«:, stellte Gowenna fest. »Und du zitterst am ganzen Leib. Also erzähl mir nicht, daß du nichts hast.«
»Ich... mußte an Del denken«, antwortete er ausweichend. Die Lüge klang dünn, und Gowennas einzige Reaktion darauf bestand in einem flüchtigen Lächeln.
»Findest du es fair, von mir Offenheit zu verlangen und selbst nicht bereit
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