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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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entgegen, bucklige Schatten, die sich beim Näherkommen in Matrosen verwandelten, gebeugt und wankend unter der Last der Bündel, die sie sich aufgeladen hatten.
    Die Sonne war bereits seit einiger Zeit untergegangen, aber über dem Meer und dem Eissee lag noch ein grauer Schimmer von Licht, den die hereinbrechende Nacht noch nicht vertrieben hatte, und unten auf der SHAROKAAN brannten unzählige Fackeln, so daß das Schiff wie eine flammende Insel aus Licht und Wärme am Ufer des Sees lag. Aber der Wind war kälter geworden, und es schien eine ganz sonderbare Art von Kälte zu sein, gegen die ihn seine wärmende Kleidung nicht zu schützen vermochte; nicht sonderlich intensiv, aber durchdringend.
    Er blieb einen Moment lang stehen, zog den Umhang noch enger um die Schultern und rieb die Hände gegeneinander. Dann folgte er dem Matrosen den abschüssigen Hang zum Strand hinab.
    Er brauchte lange, um die wenigen Dutzend Schritte zurückzulegen. Das Eis hatte durch das ständige Hin- und Herlaufen der Matrosen viel von seiner Glätte verloren, aber der Hang war noch immer gefährlich, und ein einziger falscher Schritt konnte einen Sturz ins Wasser und damit den Tod bedeuten. Er zitterte vor Kälte, als er die schmale Laufplanke der SHAROKAAN hinaufging.
    Helth erwartete ihn am Bug. Der Vede wirkte erschöpft; unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, und seine Bewegungen waren fahriger geworden. Er trug noch immer den gleichen Umhang, aber er hatte sein Haar gesäubert, und an seinen Händen klebte kein Blut mehr.
    »Was gibt es?« fragte Skar anstelle einer Begrüßung. Er gab sich keine Mühe, seine Stimme freundlich klingen zu lassen. Wie immer, wenn er zu früh und zu abrupt aus dem Schlaf gerissen wurde, war er übler Laune, und er hatte keine Lust, sich zu verstellen.
    Helth blickte weiter starr zum Eiskanal hinüber. »Hast du mit Kehlher gesprochen?« fragte er.
    Skar nickte. Kehlher war einer der vier Männer aus der Besatzung, die sich darauf verstanden, ihre Position anhand der Sterne zu bestimmen. Aber das Gespräch mit ihm war erfolglos verlaufen. Wie sich dabei herausstellte, hatten er und die anderen schon mehr als nur einmal ihre Position ermittelt, seit sie von dem Dronte von ihrem ursprünglichen Kurs gejagt wurden. Das Problem war nicht die Ermittlung des genauen Standorts. Kehlher hatte ihm auf fünfzehn Seemeilen genau sagen können, wie weit und in welcher Richtung sie von der Küste Elays entfernt waren. Aber wo sie tatsächlich waren, wußte niemand. Kein Schiff war jemals so weit wie die SHAROKAAN nach Norden gesegelt; und wenn, so war es nicht zurückgekehrt.
    Helth wartete eine Weile vergeblich auf eine Antwort und deutete schließlich zum Eiskanal hinüber. Skar konnte nicht mehr als wogende Schatten und undeutliche, sich ständig verändernde Umrisse erkennen, die zum Großteil wohl nur seiner Phantasie entsprangen, und jedesmal, wenn er dort hinüberblickte, beschlich ihn erneut ein seltsam bekanntes Gefühl der Furcht, einer Furcht, die nicht allein auf die Anwesenheit des Dronte zurückzuführen war.
    »Irgend etwas geht dort vor«, flüsterte Helth. Er sprach so leise, daß Skar Mühe hatte, seine Worte über dem Wimmern des Sturmes zu verstehen. »Ich weiß nicht, was, aber irgend etwas geschieht dort. Man... hört Geräusche.«
    Skar lauschte sekundenlang, aber er vernahm nichts außer dem winselnden, auf- und abschwellenden Heulen des Windes.
    »Ich höre nichts«, sagte er.
    Helth nickte. »Im Augenblick ist es auch nicht. Aber es kommt wieder, verlaß dich darauf.«
    Skar sah den jungen Veden fragend an. »Hast du mich deshalb rufen lassen?«
    Helth schwieg einen Moment. Der Schatten von Freundlichkeit, der auf seinen Zügen gelegen hatte, verschwand. »Natürlich nicht«, fuhr er mit veränderter Stimme fort. »Ich wollte dir mitteilen, daß wir fertig sind. Was jetzt noch an Bord ist, kann zurückbleiben.«
    Skar versuchte vergeblich, einen Unterton von Tadel oder Vorwurf in Helth' Stimme zu hören. Das einzige, was er spürte, war Erschöpfung, allenfalls noch eine Spur von Resignation. Was Helth ihm hatte sagen wollen, hatte er ihm gesagt. Er würde es nicht noch einmal tun. »Gut«, sagte er. »Dann sollten wir alle hinaufgehen und uns gründlich ausschlafen. Die Männer brauchen Ruhe. Und du auch.«
    »Und morgen brechen wir auf?«
    Skar zögerte sichtlich, ehe er nickte. Helth wußte so gut wie alle anderen, daß sie bei Sonnenaufgang losmarschieren würden. Wenn er trotzdem

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