Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
würde, wenn er jetzt aß.
Das Wasser war eiskalt und wirkte auf schon fast unangenehme Weise belebend. Skar spürte sich von einem Gefühl neuer Kraft durchströmt, als er die Schale geleert und Enwass zurückgegeben hatte — ein Gefühl, daß sehr trügerisch war, wie er wußte. Gab er ihm nach, würde er bitter dafür bezahlen müssen. Aber er genoß es einfach, dazusitzen und es zu spüren.
»Habt ihr... die ganze Zeit bei mir gewacht?« fragte er.
Enwass nickte. »Abwechselnd«, bestätigte er mit einer Kopfbewegung auf Syrr. »Meine Frau hat sich um dein Bein gekümmert.«
Skar sah erst jetzt, daß der Verband um seinen Knöchel erneuert worden war. Die provisorische Schiene war verschwunden, und die Tücher jetzt sauber und sehr fest angelegt. Probehalber versuchte er, den Fuß zu bewegen. Es tat weh, aber es ging. Wenn es unbedingt nötig war, würde er laufen können, wenn auch nicht sehr gut und mit Sicherheit nicht sehr lange.
»Ich habe dir gesagt, daß er nicht gebrochen ist«, sagte Syrr, als sie seinen erstaunten Blick bemerkte. »Aber du glaubst mir offensichtlich nie.«
Skar überging die Bemerkung. Er war sicher gewesen, daß der Fuß gebrochen war — zum Teufel, er hatte
gespürt,
wie der Knochen brach! — aber die Tatsachen sprachen eindeutig dagegen. Vielleicht hatte das Fieber auch seine Erinnerungen verzerrt. Für einen Moment fragte er sich allen Ernstes, ob da vielleicht nicht noch mehr war, was er sich nur eingebildet hatte...
»Warum tut ihr das?« fragte er leise.
»Was?« Enwass legte den Kopf schräg.
»Mir helfen«, sagte Skar ernst. »Syrr und ihr Bruder glauben offensichtlich, in meiner Schuld zu stehen — aber du?« Er sah Enwass mit einer Art freundschaftlichem Mißtrauen an, die diesen vollkommen zu verwirren schien.
»Du riskierst eine Menge dabei, mich mitzunehmen«, fuhr er fort, als Enwass nicht antwortete. »Die Quorrl werden keine Ruhe geben, bis sie mich haben.«
»Die Quorrl geben keine Ruhe, bis sie uns alle haben«, antwortete Enwass abwehrend. »Du scheinst noch nicht zu verstehen, wer wir sind, Skar.«
»Nicht genau«, gestand Skar. »Wer seid ihr?«
»Flüchtlinge«, antwortete Enwass. Er sprach das Wort sehr bitter aus. »Ich war ein reicher Mann, ehe der Krieg ausbrach, Skar. Ich hatte einen Hof und Vieh und Gold, jedenfalls genug, um mir und den Meinen ein sorgenfreies Leben zu gönnen. Was du hier siehst —« er machte eine Bewegung, die das ganze Floß einschloß, »- ist alles, was mir geblieben ist. Meine Familie, ein paar meiner Knechte mit ihren Frauen und Kindern...« Er seufzte. »Wir sind geflohen, und wir sind nicht die einzigen, Skar. Es gibt Tausende wie uns, die versuchen, die freien Länder zu erreichen. Und die Quorrl machen sich einen Spaß daraus, sie zu jagen.«
»Das beantwortet meine Frage nicht«, sagte Skar.
Enwass runzelte unwillig die Stirn. »Doch«, behauptete er.
»Das tut es. Du bist ein Krieger.«
»O ja«, murmelte Skar. »Und was für einer.«
»Du bist ein Kieger«, unterbrach ihn Enwass ärgerlich. »Du bist verwundet, aber es sind fünf Tage, bis wir die Berge erreichen. Bis dahin wirst du wieder gesund sein. Wenigstens gesund genug, um uns zu helfen.« Er lächelte. »Ich bin nicht so uneigennützig, wie du glaubst, Skar.«
Etwas in der Art, in der er diese Worte aussprach, gefiel Skar nicht. Dann begriff er.
»Du denkst, wir werden kämpfen müssen.«
»Ich fürchte.« Enwass nickte besorgt. »Und du wirst uns zeigen, wie. Du bist ein Krieger. Es... sind viele, die so fliehen wie wir. Tausende. Selbst für die Quorrl zu viele. Aber sie lauern an den Grenzen, und sie töten viele von denen, die versuchen, sie zu überschreiten. Wir sind einfache Bauern und Knechte, Skar. Du bist ein Krieger. Syrr und der Junge haben uns gesagt, was du getan hast. Wir brauchen einen Mann wie dich. Selbst wenn du nicht kämpfen kannst, kannst du uns sagen, was zu tun ist.«
Skar starrte ihn an. »Du... du meinst das nicht ernst«, murmelte er. Ein müdes, sehr trauriges Lächeln huschte über sein Gesicht und erlosch wieder. »Erzähle«, sagte er matt. »Erzähle mir alles, was du über die Quorrl weißt, und über die Situation an der Grenze.«
»Du hilfst uns also?«
Skar hob rasch und abwehrend die Hand. In Enwass' Stimme war ein neuer Ton, der ihm nicht gefiel. Er wußte aus bitterer Erfahrung, wie leicht es war, falsche Hoffnungen zu wecken. »Soweit ich es kann, Enwass«, sagte er ernst. »Und das ist nicht
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