Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
sonderlich humorvoll war.
»Glaubst du?« fragte er.
»Ich weiß es.« Talin schüttelte heftig den Kopf und kam auf ihn zu. In seinen Augen erschien ein Glanz, der Skar nicht besonders gefiel. Für einen kurzen Moment erinnerte er sich an den anderen Talin, den, den er gesehen hatte, als er auf den Kadaver des Hundes einstach, schreiend vor Haß und in einem entsetzlichen Blutrausch.
»Es ist mir gleich, was dieser Enwass von dir hält«, sagte der Junge aufgebracht. »Ich weiß, was du wirklich bist.«
Skar sah, wie Syrr vor Schrecken den Atem anhielt und ihrem Bruder einen warnenden Blick zuwarf, den Talin allerdings gar nicht zu bemerken schien.
»So?« fragte er. »Und was bin ich, deiner Meinung nach?«
»Ein Krieger!« erwiderte Talin stolz. »Du bist ein großer Krieger, Skar. Du hast keine Angst vor den Satai und diesen Quorrl-Hunden, wie Enwass und die anderen.«
»Das glaubst du?« Skar lächelte matt. »Ich fürchte, ich muß dich enttäuschen, Talin. Ich habe Angst.«
»Aber du hast sie erschlagen, und das allein zählt!« beharrte Talin. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung. »Ich habe gesehen, wie du mit dem riesigen Quorrl gekämpft hast, Skar!«
»So, das hast du also«, murmelte Skar. »Und es hat dir gefallen?«
Talin nickte so heftig, daß sein kurzgeschnittenes Haar flog.
»Du mußt mir zeigen, wie man so kämpft, Skar«, sagte er. »Ich will es lernen.«
»Was willst du lernen?« Skars Stimme wurde hart. »Was du gesehen hast? Ich will dir sagen, was du gesehen hast, du kleiner Narr: du hast zwei halbtote Männer gesehen, die durch den Morast krochen, weil sie nicht mehr die Kraft hatten, zu gehen! Soll ich dir beibringen, wie man kriecht?« Plötzlich packte ihn Wut, eine vollkommen irrationale, rasende Wut auf Talin, auf sich selbst und auf eine Welt, in der Kinder geboren werden mußten, die wie dieser Knabe waren. »Soll ich dir zeigen, wie man mordet und verstümmelt und tötet, Junge?« schrie er. »Oder soll ich dir zeigen, wie man ermordet wird?« Er machte eine wütende Handbewegung. »Verschwinde!« fauchte er. »Komm wieder, wenn du erwachsen geworden bist!«
Talin erbleichte. Seine Lippen begannen zu zittern, und der Stolz, den Skar noch vor Sekunden in seinem Blick gelesen hatte, schlug in Verwirrung um. Ein Ausdruck tiefer Bestürzung erschien auf seinen Zügen.
»Aber... aber du... du bist«, stammelte er.
»Ein halbtoter Mann, du kleiner Narr!« unterbrach ihn Skar grob. »Einer, der von einem Hund zerfleischt worden wäre, wären deine Schwester und du nicht dazugekommen! Und jetzt geh!«
»Aber —«
»Verschwinde, hab' ich gesagt!« brüllte Skar.
Talin erbleichte noch weiter, starrte ihn einen Herzschlag lang beinahe haßerfüllt an — und fuhr auf dem Absatz herum, um aus dem Raum zu stürmen. Skar blickte ihm kopfschüttelnd nach.
Die Schärfe seiner Worte tat ihm beinahe schon wieder leid, aber es hatte sein müssen. Er mochte Talin, trotz allem, aber gerade darum hatte er nicht anders gekonnt.
»Das war... hart«, murmelte Syrr.
Skar starrte sie an. »Ich weiß. Aber es war nötig.«
»Es... wird nichts nutzen«, fuhr Syrr fort, und erst jetzt begriff Skar, daß in ihren Worten kein Tadel gewesen war, nicht einmal Kritik. »Er wird dich allerhöchstens dafür hassen.«
Skar schwieg. Gott, er hatte wirklich andere Probleme, als sich um die Macken eines Kindes zu kümmern, das zufällig seinen Weg gekreuzt hatte und das er vermutlich nie mehr wiedersehen würde, wenn sie erst einmal hier heraus waren. Trotzdem fragte er: »War er... schon immer so?«
Syrr schüttelte den Kopf, aber die Bewegung kam ein wenig zu schnell, um Skar wirklich zu überzeugen. »Ich weiß es nicht«, gestand sie. »Vielleicht. Ich... habe mich nie sehr viel um ihn gekümmert, obwohl er mein Bruder ist. Du hast ihn gesehen, als er... den Hund...«
»Ja«, unterbrach sie Skar. »Das habe ich. Du wirst auf ihn achtgeben müssen, wenn wir hier heraus sind. Und ich kann dir nicht dabei helfen.«
Syrr antwortete nicht, aber etwas in ihrem Blick erlosch. Trotzdem nickte sie. »Ich weiß«:, murmelte sie. »Du gehst fort.« Skar seufzte. »Was hast du erwartet?« Er bemühte sich, seine Worte bewußt kalt klingen zu lassen. Er wollte ihr nicht weh tun, aber er wußte, was sie dachte, weil er Situationen wie diese unzählige Male zuvor erlebt hatte. Besser, er tat ihr jetzt ein bißchen weh, als später sehr viel mehr.
»Wir sind uns zufällig begegnet, Syrr«, fuhr er fort.
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