Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Titel: Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
und eisiger Hagel auf das Land herabregneten, und das Ufer erhob sich wie eine schwarze, mit harten Linien gemalte gerade Linie vor dem Horizont. Die wenigen Büsche waren nackt und wirkten in der Dunkelheit wie bizarre Gebilde aus Draht, und mit der Nacht hatte das Heulen des Windes an Macht und Kälte zugenommen.
    Skar blickte nach Süden. Der Fluß verlor sich schon nach wenigen Dutzend Metern in der Dunkelheit, und wo das Bayfour-Gebirge sein sollte, gähnte ein finsteres Loch mit zackigen Rändern in der Nacht. Dabei war der Weg nicht einmal sehr weit wenig mehr als eine Tagesreise, selbst bei der relativ niedrigen Geschwindigkeit ihres schwerfälligen Floßes. Für einen Moment kam es Skar vor wie bitterer Hohn, daß sie so weit gekommen waren, nur um hier zu sterben.
    Das Floß stieß mit einem unsanften Ruck gegen das Ufer. Die Erschütterung riß Skar aus seinen Gedanken und Enwass aus seiner Erstarrung. Er rief einen halblauten Befehl, sprang mit einem kraftvollen Satz an Land und verlor auf dem Gemisch aus Schnee und Morast am Ufer um ein Haar das Gleichgewicht, fand aber im letzten Moment seine Balance wieder und streckte die Arme aus, um das Tau aufzufangen, das ihm einer seiner Söhne zuwarf. Skar beobachtete reglos, wie er das Floß an einem vorspringenden Felsen vertäute und prüfend mit aller Kraft am Seil riß, ehe er sich umwandte und den anderen ein Zeichen gab, ebenfalls an Land zu kommen.
    Skars Sinne begannen mit der gewohnten, beinahe schon überpräzisen Art zu arbeiten, mit der sie es immer taten, wenn er bewußt in einen Kampf ging. Obwohl er sich noch immer schwach und matt fühlte und die zahllosen Wunden und Schrammen an seinem Körper noch längst nicht verheilt waren, fühlte er sich gleichzeitig beinahe wohl. Der Teil von ihm, der beim Anblick der Quorrl erwacht war, wurde immer stärker. Skar erschrak fast vor sich selbst. Nicht so sehr vor dem Gefühl der Zuversicht und Stärke, das er mit einem Male verspürte — das war normal, denn es war nichts anderes als das Ergebnis eines lebenslangen Trainings: Er war Satai, und er vermochte Reserven zu aktivieren, von denen die meisten anderen Menschen nicht einmal wußten, daß sie sie besaßen, ebenso, wie er seine Empfindungen und Ängste beinahe nach Belieben auszuschalten oder zumindest zu steuern imstande war. Und es war das erste Mal seit seinem Erwachen im Tempel, daß er wirklich
bewußt
in einen Kampf ging: In jener Nacht vor dem Tempel war es anders gewesen: Er war viel zu verwirrt und verstört gewesen, um überhaupt zu begreifen, was geschah, und eigentlich hatte er nichts anderes getan als um sein Leben zu kämpfen; auch wenn er zufällig der Angreifer gewesen war.
    Jetzt war es... anders.
    Skar schauderte ein wenig, als er begriff, daß sich etwas in ihm auf den Kampf freute...
    »Was hast du, Skar?«
    Skar fuhr zusammen, blickte in Syrrs Gesicht und begriff voller Schrecken, daß sich seine Empfindungen ziemlich deutlich auf seinem Gesicht abgezeichnet haben mußten. »Nichts«, sagte er ausweichend. »Es ist... nichts. Ich bin ein wenig nervös. Mein Bein schmerzt«, fügte er hinzu. Es war die Wahrheit, aber Syrr sah nicht einmal an ihm herab, sondern blickte ihm unverwandt in die Augen. Skar mußte sich gegen das unbehagliche Gefühl wehren, daß sie seine Gedanken las wie ein offenes Buch. »Glaubst du, daß... daß wir eine Chance haben?« fragte sie plötzlich.
    Sie sprach sehr leise, flüsterte fast, und eine ganz leichte Spur von Angst vibrierte in ihrer Stimme. Aber es war eine völlig andere Art der Angst, als er sie auf den Gesichtern von Enwass und seinen Leuten gelesen hatte.
    Es war...
    Ja, dachte Skar verblüfft — es war
Angst um ihn!
    Skar war verwirrt. Er verstand Syrr immer weniger.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte er, in einem Ton, der nicht einmal ihn selbst, geschweige denn Syrr überzeugte. »Ich habe nicht vor, sie zum Kampf herauszufordern.«
    »Nein«, antwortete Syrr spöttisch. »So wenig wie vor einer Woche, nicht wahr?«
    »Das war etwas anderes!« widersprach Skar gereizt. »Ich wußte nicht, wem ich gegenüberstehe. Ich wurde... überrascht. Jetzt kenne ich den Feind.«
    »Erzähl das Enwass, oder seinem schwachsinnigen Sohn«, sagte Syrr ruhig. »Eine Stunde vor uns warten zwei Dutzend Quorrl, und du reitest ihnen allein entgegen, um —«
    »Um sie abzulenken und euch eine Chance zu verschaffen, durchzubrechen«, unterbrach sie Skar grob; und eine Spur lau-ter, als nötig gewesen

Weitere Kostenlose Bücher