Enwor 8 - Der flüsternde Turm
dummes Kind. Sie hat einen Fehler gemacht, aber sie wußte es nicht besser. Es war auch unser Fehler; wir hätten kein Kind mit einer Aufgabe betrauen sollen, die eines Erwachsenen bedarf. Es war dumm von ihr, die Quorrl zu töten, und völlig überflüssig. Sie wird bestraft werden.« Er schwieg einen Moment, dann ging er ganz behutsam in die Hocke, legte seine Waffe vor sich auf den Boden, richtete sich wieder auf und breitete die Hände aus.
»Du hast nichts vor uns zu befürchten«, fuhr er fort. »Wir sind hier, um dir zu helfen. Du bist krank, Skar.«
»So?«
»Und du weißt es ganz genau. Du wirst jeden Tag schwächer.
Du bist ebenso krank wie Kiina.«
»Wo ist sie?« schnappte Skar. »Was habt ihr mit ihr gemacht?« »Nichts«, antwortete der andere mit einem leisen, fast ehrlich klingenden Lachen. »Oder doch dasselbe, was wir mit dir tun werden. Wir haben sie geheilt. Ihr Zustand bessert sich bereits. Aber du wirst sterben, wenn du nicht mit uns kommst.«
»Ich fürchte, das wird auch geschehen,
wenn
ich es tue«, sagte Skar. Aber seine Stimme klang nicht mehr ganz so überzeugt wie bisher. Sein Arm, der das Schwert hielt, begann zu schmerzen, aber er versuchte nicht, das Zittern zu unterdrücken. Er wußte, daß der andere ein scharfer Beobachter war, der die kleinen Zeichen von Unsicherheit und Schwäche sorgsam registrieren würde. »Skar, bitte«, fuhr der Zauberpriester fort. »Ich weiß, daß du Brol und mich besiegen kannst. Wir kennen deinen Ruf, und wir kennen dich, besser vielleicht als du selbst. Ich werde nicht mit dir kämpfen.« Er bückte sich, hob seine Waffe wieder auf und schob sie mit einer achtlosen Geste in eine lederne Hülle, die an seinem Gürtel hing.
»Ich werde jetzt gehen und bei den Tieren auf dich warten. Du kannst Brol hierlassen und fliehen, wenn du willst. Es gibt noch mehr von uns, aber ich bin nicht einmal sicher, ob wir dich einfangen könnten. Lauf weg, wenn du willst. Aber dann stirbst du, und zwar bald und sehr qualvoll. Oder du kannst mit uns kommen und leben.«
»Als euer
Sklave,
ja«, sagte Skar verächtlich. Er bemühte sich, in seine Stimme genau jenen Ton von Trotz zu legen, den der andere erwartete. »So wie Kiina.«
»Wir haben ihr für kurze Zeit ihren Willen geraubt, das ist wahr«, gestand der Zauberpriester ruhig. »Aber das geschah nur zu ihrem eigenen Schutz.« Er zuckte mit den Achseln, sah Skar noch einmal lange und fragend an und drehte sich um. Skar wartete, bis er zwei, drei Schritte gemacht hatte, dann rief er ihn zurück: »Priester.«
Der Mann drehte sich herum. »Ich bin kein Priester. Mein Name ist Ian. Hast du es dir überlegt?«
»Was... habt ihr mit Titch gemacht?« fragte Skar stockend.
»Der Quorrl, den Anschi zu uns bringen sollte?« Ian schüttelte bedauernd den Kopf. »Es tut mir leid. Sie hat ihn getötet, nachdem sie gesehen hat, was du mit ihren Schwestern getan hast. Er war dein Freund, nicht wahr?«
Skar mußte sich beherrschen, um nicht erleichtert aufzuatmen, Ians Worte bedeuteten nichts weniger, als daß die Zauberpriester nichts von Titch wußten. Sie hielten ihn für tot, und ihn, Skar, für allein.
»Das war er«, sagte er leise. »Anschi...«
»Wird bestraft werden«, unterbrach ihn Ian. »Du kannst es selbst tun, wenn du willst. Aber auch dazu mußt du am Leben bleiben.« Er machte eine fragende Handbewegung.
Skar zögerte noch zwei, drei Herzschläge. Dann senkte er ganz langsam das Schwert, ließ Brol los und taumelte mit einem nicht einmal mehr geschauspielerten, erschöpften Keuchen gegen einen Baum.
Brol wankte ein paar Schritte von ihm fort, preßte die Hand gegen die Seite und trat neben seinen Kameraden. Die bizarren Rüstungen machten sie gleich; Skar vermochte die beiden nicht mehr zu unterscheiden.
»Ich... kann nicht mehr«, flüsterte er. »Ich gebe auf. Bringt mich um, wenn ihr wollt.« Er ließ das Schwert fallen, schloß die Augen und wartete mit angehaltenem Atem, daß irgend etwas geschah. Aber die beiden schweigenden Riesen rührten sich nicht. Skar fragte sich, ob sie vielleicht die Wahrheit sagten. Vielleicht war alles ganz anders; vielleicht hatte Yul ihn doch nicht belogen, und vielleicht war
er
es, der einem fürchterlichen Irrtum unterlag.
Er wußte nicht mehr, wer sein Freund und wer sein Feind war, wer recht hatte und wer log.
Ich kann es dir sagen,
wisperte eine Stimme in seinen Gedanken.
Folge mir, und ich zeige dir die Wahrheit, Bruder. Aber sie wird dir nicht gefallen.
Ein
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