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Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Titel: Enwor 8 - Der flüsternde Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vernichtet hatte, war noch da. Aber er verstand Kiina. Diese Stadt war einmal ihre Heimat gewesen. Jeder, den sie gekannt und geliebt hatte, hatte hier gelebt. Trotzdem zögerte er, als Kiina einen Schritt machte und ihn auffordernd ansah. Das Empfinden von Gefahr war übermächtig, und da war zu viel, was er nicht verstand, aber ganz instinktiv als gefährlich einstufte. Der Krieger in ihm, der zu überleben gelernt hatte, indem er das Unbekannte mied oder zumindest erst einmal als gefährlich einstufte, um sich dann — vielleicht — eines Besseren belehren zu lassen, schrie ihm zu, auf der Stelle umzudrehen und die Stadt zu verlassen. Aber da war noch eine andere Stimme; eine, die ihm zuflüsterte, daß es wichtig war, herauszufinden, was Elay und seinen Bewohnern widerfahren war. Vielleicht lebenswichtig. »Warte einen Moment«, sagte er. Ohne Kiinas Antwort abzuwarten, wandte er sich um und ging zum Tor zurück, wobei er einen übertrieben großen Bogen um die beiden toten
Errish
schlug, die davor lagen. Gebückt trat er durch das schmale Schlupftor, durch das sie Elay betreten hatten. Die beiden Pferde, die sie an einem eisernen Ring neben dem Tor angebunden hatten, begannen unruhig zu wiehern und mit den Hufen zu scharren. Die Tiere litten unter dem Dauerregen so sehr wie ihre Herren, aber das war nicht der Grund für ihre Unruhe. Sie hatten Angst. Irgend etwas war hier, was sie nervös machte. Skar spürte es auch. Was immer Elay zerstört hatte, war noch da.
    Er trat zu seinem Pferd, fuhr ihm mit der linken Hand beruhigend über die Nüstern und öffnete mit der anderen die Schnallen seiner Satteltasche. Er fühlte sich nicht wohl bei dem, was er tat. Er hatte die...
Magie?
Gut, er würde sie weiter so nennen, bis er eine passendere Erklärung dafür gefunden hätte — er hatte die Zauberkunst der
Errish
stets mit Mißtrauen betrachtet, denn sie vermochte Leben ebenso rasch zu zerstören, wie sie es rettete. Aber hinter ihm, auf der anderen Seite der zwanzig Fuß dicken Mauer, befand sich eine Stadt voller Toter, und wenn das, was diese Menschen umgebracht hatte, noch hier war, dann brauchte er vielleicht jedes bißchen Hilfe, das er bekommen konnte, Zauberei hin oder her.
    Skar förderte ein kleines, in Tuch eingeschlagenes Päckchen zutage, wickelte es sorgfältig aus und betrachtete das silbern funkelnde Ding in seiner Hand mit einer Mischung aus Furcht und Abscheu. Der logische Teil seines Denkens sagte ihm, daß ihm auch Kiinas Scanner nicht sehr viel nutzen würde: es war eine Waffe der
Errish,
wie es sie in Elay wahrscheinlich zu Tausenden gab, und sie hatten nicht ein Leben retten können.
    Trotzdem — wenn schon nicht ihn, dann würde der Anblick des Scanner vielleicht wenigstens Kiina beruhigen. Er hätte allein gehen sollen. Skar war sich darüber im klaren, daß es ein Fehler gewesen war, Kiina mit in die Stadt zu nehmen. Er hatte geahnt, was er finden würde.
    Skar drehte das Gesicht aus dem Wind und hob die Hand über die Augen, um sie vor den nadelspitzen Regentropfen zu schützen, die der Wind vom Meer herantrug. Zwei Meilen entfernt, am Fuße des Felsabbruches, der die Steilküste an dieser Stelle unterbrach wie ein Axthieb, erkannte er eine schemenhafte Gestalt. Skar blieb stehen, hob die Arme über den Kopf und winkte; zweimal, dreimal, viermal, bis sich das goldene Funkeln am Fuße der Felstrümmer bewegte und er sicher war, daß Titch sein Winken bemerkt hatte und wußte, daß — wenigstens im Moment — alles in Ordnung war.
    Alles in Ordnung...
Skar wiederholte die Worte ein paarmal in Gedanken, ohne ihnen etwas von ihrem spöttischen Beiklang nehmen zu können.
Nichts
war in Ordnung; weder mit ihm oder Kiina oder Elay oder ganz Enwor. Er dachte an sein letztes Gespräch mit Del zurück.
Alles zerbricht,
hatte Del gesagt, in einem anderen Zusammenhang und ohne zu ahnen, worauf sie auf ihrem Weg zurück in den Norden stoßen würden. Er hatte nur zu recht gehabt.
    Widerstrebend wandte Skar sich um, ging zum Tor zurück und blieb dann noch einmal stehen, um sich herumzudrehen. Er fürchtete sich fast davor, Titch nicht mehr zu sehen. Während der letzten beiden Monate hatte er sich so sehr an die Gegenwart des Quorrl gewöhnt, daß er ihm fast zum Freund geworden war, und jetzt, als sie sich getrennt hatten, spürte Skar plötzlich, wieviel Schutz und Sicherheit die Nähe dieses schweigsamen Giganten ausstrahlte.
    Er verscheuchte den Gedanken und versuchte noch einmal, die

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