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Rettungskreuzer Ikarus Band 043 - Kasernenwelt

Rettungskreuzer Ikarus Band 043 - Kasernenwelt

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 043 - Kasernenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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1.
     
    Hier, im leeren Magazin, war der Versammlungsort der Schlechtgelaunten.
    Leere Magazine gab es viele. Dieses hier war früher für die Versorgung
von Bezirk VIII zuständig gewesen, doch irgendwann, einige Jahrzehnte war
es her, brachen die Glurkleitungen zusammen, und nun mussten alle, auch die
Schlechtgelaunten, jeden Tag den weiten Weg zum Zentraldispenser antreten, um
Glurk zu erhalten. Nicht, dass es sich besonders lohnte: Das Zeug war nahrhaft,
aber fast ungenießbar, und nur die Gutgelaunten ertrugen dies mit einer
Fassung, die ihrem Namen entsprach.
    Das leere Magazin roch noch ein wenig nach dem Algenbrei, der hier über
Jahrhunderte dargeboten worden war. Es war ein sehr abgestandenes, staubiges
Aroma. Lorik, der die Schlechtgelaunten inoffiziell anführte, hatte sich
schon lange daran gewöhnt.
    Es war der Abend des ersten Siebttages, und die Schlechtgelaunten trafen sich
immer zu dieser Zeit. Sie mussten nicht befürchten, in ihrem Tun gestört
zu werden: Die Gutgelaunten verstanden nicht, was die kleine Gruppe zu Ausgestoßenen
machte, konnten es nicht gedanklich oder verbal beschreiben. Die Gutgelaunten
warteten auf den Ruf, ein Leben lang. Und da dieser nicht kam, zogen sie ihre
Freude aus dem Warten und vermehrten sich. Auf dieser Welt, so zeigten die Annalen
der Schlechtgelaunten, war Lorik 21. Das war eine nur schwer zu fassende Zahl,
denn alle auf diesem Planeten, egal, von welchem Volk sie stammten, waren ohne
Geschichte. Hin und wieder trafen Wellen von Neuankömmlingen ein, die noch
eine eigene Geschichte hatten. Kamen sie, suchten Lorik und seine Gefährten
ihre Nähe. Es war schwer, allzu viel aus ihnen herauszubekommen, denn je
länger sie hier auf dem Planeten lebten, desto schneller fügten sie
sich in die Konformität der Wartezeit ein. Dazu kam, dass alle Neuankömmlinge
Gutgelaunte waren. Lorik hatte feststellen müssen, dass Schlechtgelaunte
erst bei ihren Nachkommen auftraten und diese genauso von ihren Eltern behandelt
wurden wie er selbst, ehe er die dranghafte Enge des Wartequartiers verlassen
hatte: mit einer abwesenden Fürsorge, einer Versorgung mit dem Wichtigsten,
aber ohne jede weitere Anleitung, ohne Gespräche, ohne sinnvolle Beschäftigung.
Lorik konnte das seinen Eltern nicht vorwerfen, denn sie waren immer gut gelaunt
gewesen und würden es sein bis zu ihrem frühen Ende. Shmer, der Zweitälteste
der Gruppe, hatte die Theorie geäußert, dass die durchschnittliche
Lebenserwartung aller Bewohner dieser Welt mit jeder Generation sank. Der allmähliche
Zusammenbruch aller Versorgungseinrichtungen und nicht zuletzt die nur noch
dem Namen nach bestehende medizinische Fürsorge waren die Grundlage für
ihre schwindenden Chancen. Den Gutgelaunten war dies egal. Die Schlechtgelaunten
waren die Einzigen, die in der Lage waren, das Wissen, das sie in der vierjährigen
Indoktrination erhielten, auch sinnvoll anzuwenden – und danach aktiv weitere
Erkenntnisse zu suchen. Es trug sichtbar zu ihrer schlechten Laune bei.
    Lorik war 31 Jahre alt. Er war ein schmal gebauter Mann, leicht unterernährt
wie alle, mit fahlblauen Augen. Sein haarloser Kopf, der anstatt von Ohren nur
winzige, knopfförmige Organe aufwies, war von gelblicher Blässe. Er
gehörte sicher zu einem Volk, hatte einen Heimatplaneten, aber er war,
wie er schätzte, selbst bereits 21. Generation, und niemand hatte ihm sagen
können, wie sein Volk hieß und woher es kam.
    Shmer war ebenfalls von humanoider Grundform – wie fast alle auf dieser
Welt, und Lorik vermutete, dass da ein System dahinter steckte –, aber
nur halb so groß wie der Anführer, sein Körper war mit einem
dünnen, fellartigen Flaum bedeckt. Er hatte drei große, ausdrucksvolle
Augen, türkis schimmernd, und langgliedrige, sechsfingrige Hände.
Er war leise und zurückhaltend, der Denker der Gruppe.
    Nach und nach trafen die Schlechtgelaunten ein. Nie kamen alle. Heute Abend
sah es ganz gut aus: Von den 45 offiziellen Mitgliedern war schließlich
die Hälfte anwesend. Alle waren sie jünger als Lorik, einige waren
noch Kinder. In der Entwicklung der Neugeborenen trat die Wirkung des …
was es auch immer war … im Kleinkindalter ein. Dann entschied es sich,
ob jemand gut oder schlecht gelaunt wurde. Eine der Hauptaufgaben von Loriks
Gruppe war es, Schlechtgelaunte rechtzeitig zu finden und ihnen zu erklären,
dass sie etwas Besonderes

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