Epicordia
der Ladentür eingeordnet hatte. Es mischte
sich leise und unverschämt in den Klang von Dolores OâRiordans sich
überschlagender Stimme. Twenty one , tock-tock, twenty one , tock-tock. Vielleicht einer der Bauarbeiter auf
dem Gerüst vor dem Nachbarhaus? In der Victoria Street wurden ständig
irgendwelche Fassaden repariert und wieder hergerichtet. Alles, was die Zeit
oder der saure Regen langsam zerstörten. Doch das Klacken schien seltsam nah.
Endlich sah Lara auf, in Richtung Ladentür. DrauÃen hockte Dexter auf dem
Türgriff und hämmerte in einem steten Rhythmus gegen die Türscheibe. Tock-tock,
tock-tock.
»Ist ja gut«, rief Lara, legte ihre Werkzeuge zur
Seite und ging hin.
»Warum klingelst du nicht?«, fragte sie den Raben
durch die Scheibe.
Dexter sah sie leicht
verdrieÃlich an, sagte: »Krah«, und hackte anstatt auf die Scheibe auf den
Klingelknopf ein. Nichts geschah. Der Schnabel traf den Knopf erneut. Wieder
nichts.
»Ok, ok«, Lara hatte verstanden. Die Klingel war offenbar
kaputt. Da die meisten Kunden des Ladens Menschen waren und daher die Tür von
selbst zu öffnen imstande waren, hatte sie bisher nicht bemerkt, dass die
Klingel nicht funktionierte. Sie öffnete die Tür und der Rabe schwang auf dem
Türgriff balancierend mit in den Schlüsselladen hinein. Diesmal ertönte
immerhin das blecherne Geläute, das das Ãffnen der Tür ankündigte. Na
wenigstens waren nicht gleich alle Sicherungen rausgeflogen, dachte Lara. In
alten Häusern wie diesem konnte die Elektrizität die verrücktesten Dinge tun,
wenn man sie nur lieÃ.
»Hallo Lara«, krächzte der Rabe. »Ich hoffe, du hast
dich ein wenig beruhigt.«
»Geht so«, antwortete sie wahrheitsgemäÃ. Arbeit
lenkte sie ab und war somit immer ein adäquates Mittel, um nicht über
unangenehmere Dinge nachdenken zu müssen.
Sie schnappte sich einen Phasenprüfer und schraubte
geschwind die Haustürklingeln für den Schlüsselladen und die Wohnung darüber
ab.
»Hm«, machte sie, nachdem sie die Kabel überprüft
hatte. »Schon wieder kein Strom. Gibt es Mäuse oder Ratten, die in Wänden
wohnen und Kabel durchbeiÃen?«
»Krah, gute Frage. Wahrscheinlich. Aber ich habe von
Elektrizität nicht besonders viel Ahnung, wenn du verzeihst.«
»Nein, stimmt. Woher auch? Aber von Mäusen und Ratten
hast du Ahnung.«
»Ja, aber nicht davon, was sie so fressen. Das will
ich lieber gar nicht erst wissen.«
Lara drückte das Schutzblech der Klingel wieder in die
dafür vorgesehene Aussparung in der Wand, zog die Schrauben fest und machte die
Ladentür zu, sodass der freche Rabe rechtzeitig abspringen musste, um nicht
wieder drauÃen auf der Victoria Street zu landen. Er flatterte einige Sekunden
lang durch den Schlüsselladen, vergeblich nach einem Plätzchen Ausschau
haltend, auf dem keine Werkzeuge, Schlüssel, Teile von Uhren oder andere Dinge
herumlagen. SchlieÃlich lieà er sich auf der groÃen Registrierkasse nieder.
»Warum bist du eigentlich hier?«, fragte Lara ihn,
während sie sich wieder an ihre Werkbank setzte. »Hast du Sehnsucht?«
»Nein, krah. Ich glaube, ich seh dich öfter, als
gesund für mich ist.«
Lara hatte sich schon wieder mit einer Handfräse
bewaffnet, um damit erneut auf ein Stück Metall loszugehen.
»Was treibt dich dann her?«, wollte sie wissen.
»Eusebius schickt nach dir. Und Tom auch.«
»Eusebius und Tom suchen mich beide ?
Hab ich irgendwie Mist gebaut?«
Lara lieà das Werkzeug sinken und blickte Dexter
entgeistert an. Was sollte das denn jetzt? Was hatten
Tom Truska und Eusebius Lanchester miteinander zu schaffen? Soweit Lara wusste,
hielt Tom sich nicht gerade besonders häufig im Uhrenturm auf. Und das lag nicht nur daran, dass er mal eine Sache mit der
dortigen Sekretärin verbockt hatte â Tom hatte sie abgewiesen und seit jenem
Tage war sie sauer auf Tom. Es gab für ihn auch nicht viel dort zu tun. Seit er
sich endlich Meister seines Fachs nennen durfte, war
er genau zwei Mal dort aufgekreuzt. Einmal, um seinen Titel im Zunftbuch
verewigen zu lassen, und ein weiteres Mal, als Mick Klinghoffer â lange Zeit
der einzige Lehrling der Mechaniker auÃer Lara â seine Gesellenprüfung bestanden
hatte, zu deren Bewertung man Tom herangezogen hatte. Immerhin galt er
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