ePub: Juniper Berry
brauche? Eine Komödie? Hätte ich nicht schon wieder ein Drama machen sollen? Das war die Idee deines Vaters. Was schreiben sie?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ach, du bist auch zu gar nichts zu gebrauchen!«, stellte Mrs. Berry schnippisch fest.
Juniper starrte schweigend auf den Teppich. Wieder stiegen die Erinnerungen in ihr hoch.
»Ich könnte niemals ohne dich leben«, hatte Mrs. Berry einmal zu ihr gesagt. »Du bist alles, was ich brauche. Duund dein Vater.« Es war ein merkwürdiger Zeitpunkt gewesen, um so etwas Nettes zu sagen. Ihre Mutter stand nach vorne gebeugt mitten auf der Straße und band mehrere Päckchen Knallfrösche aneinander, die alle zusammen so lang waren, dass sie die halbe Straße hinunterreichten. Ihre Mutter schaffte es immer wieder, sie zu überraschen. »Aus der Schusslinie, Schätzchen«, sagte sie in einem der vielen Akzente, die sie beherrschte. »Gleich brennt hier die Luft.« Sie hielt ein Streichholz an die Zündschnur und rannte geduckt zu Juniper hinüber. »Runter!«
Mutter und Tochter warfen sich ins Gras und beobachteten nah beieinanderliegend die wirbelnden Funken, die auf der Straße herumhüpften und nur langsam verglühten. Es war nicht einmal der 4. Juli, aber das machte nichts.
Jetzt ließ sich Mrs. Berry rückwärts auf ein riesiges und ziemlich kitschiges Bett fallen. Sie seufzte schwer. »Ich halte das nicht aus, Juniper. Sie wollen immer mehr. Mehr, mehr, mehr. Ich bin die Einzige, die ihnen so viel geben kann.« Ihre Lippen wurden schlaff und sie flüsterte: »Wir sitzen in der Falle, dein Vater und ich. Wir leben zweidimensional. Unser Leben gehört nicht mehr uns.« Sie setzte sich auf und sah Juniper zum ersten Mal richtig an. »Pass auf dich auf, sonst wird dir dein Leben auch noch gestohlen.«
Juniper ging zum Bett und rollte sich neben ihrer Mutter zusammen. Mrs. Berry legte den Arm um sie und zog sie an sich. Für einen kurzen Moment wurde Junipers ganzer Körper warm. Bitte geh nicht fort , dachte sie. Du darfst mich niemals verlassen.
»Mom, du könntest doch aufhören«, sagte sie. »Häng die Schauspielerei einfach an den Nagel.«
Was immer es gewesen war, das kurz in den Augen ihrer Mutter aufgeleuchtet hatte, erlosch augenblicklich. Sie zog ihren Arm zurück, setzte sich gerade hin und sah auf ihre Tochter hinab. »Wie kannst du nur so etwas sagen? Ich drücke der Welt meinen Stempel auf. Wieso geht das einfach nicht in deinen Kopf?« Die Worte schossen wie Pfeile aus ihrem Mund und verletzten Juniper tief.
Mrs. Berry erhob sich, hielt ihr Handy ans Ohr, lauschte, nahm es wieder herunter und drückte auf Wahlwiederholung. Sie verließ den Raum, ohne Juniper eines weiteren Blickes zu würdigen.
Während Mrs. Berry durch das Haus eilte und das Personal, den Computer, ihr Handy und den Hund beschimpfte, lief Juniper auf der Suche nach ihrem Vater durch die große, mit zahlreichen Kunstwerken geschmückte Halle. Doch eigentlich brauchte sie ihn gar nicht zu suchen. Sie wusste, wo sie ihn finden würde. Dort, wo er immer war.
Es war ihr Lieblingszimmer im ganzen Haus, genauso wie das ihres Vaters. Sie erinnerte sich genau, wie sie zum ersten Mal in das zweistöckige Arbeitszimmer gekommen war, das einen großen Teil des Ostflügels einnahm. Es war neu gebaut worden und sie trat an einem dunstigen und doch warmen Morgen durch eine schwere, bogenförmige Tür ein. Die hohen Wände waren mit Tausenden von Büchern bedeckt, viele in Leder gebunden. Sie standen in Mahagoni-Regalen, und es gab sogar eine Rollleiter, um andie oberen Reihen herankommen zu können. Die Bücher waren alphabetisch nach Autoren geordnet und in Sachgebiete unterteilt wie in einer öffentlichen Bibliothek oder in einer Buchhandlung. Ein kompliziert gemusterter Teppich bedeckte den größten Teil des Fischgrät-Parketts. Juniper wusste sofort, dass sie es lieben würde, sich auf dem Teppich auszustrecken, wenn die Sonnenstrahlen durch das große, darüberliegende Fenster fielen.
Passend dazu gab es in der einen Ecke ein vornehmes Ledersofa samt Sessel sowie einen unglaublich bequemen Schaukelstuhl und eine gepolsterte Ottomane, einen Kamin mit klassischen Verzierungen, wertvolle moderne und abstrakte Kunstwerke und, in der Mitte des Raumes, einen riesigen Schreibtisch mit zahlreichen Fächern und Schubladen. Es gab einen Globus, den Juniper einfach drehen musste (wohin würde sie ihre erste Lesereise oder Filmpremiere führen?), ein Regal mit Filmpreisen, seltene, handsignierte
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