Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
verdoppelt zu haben, seit er in den Wohnturm eingedrungen war. Er hatte das Gefühl, als werde ihm das Herz gleich aus der Brust springen.
Wo ist sie?, dachte er hektisch, während er einmal mehr durch eine Tür spähte und nichts vor sich sah als einen leeren Raum.
Endlich, am Ende eines schäbigen Seitengangs, fand er eine Wendeltreppe. Er nahm auf dem Weg hinunter ins Erdgeschoss immer fünf Stufen auf einmal, auch wenn es riskant war, und hielt nur inne, um einen erschrockenen Bogenschützen aus dem Weg zu stoßen.
Am Fuß der Treppe gelangte er in einen hohen Raum, der ihn an die Kathedrale in Dras-Leona erinnerte. Eragon wirbelte herum, um sich rasch einen Überblick zu verschaffen: Schilde, Waffen und rote Fahnen hingen an den Wänden; schmale Fenster gab es nur hoch oben unter der Decke; Fackeln steckten in schmiedeeisernen Haltern. Er registrierte kalte Feuerstellen, übereinandergestellte lange dunkle Tische an beiden Längsseiten der Halle und ein Podest an der Stirnseite des Raums, wo ein in eine Robe gehüllter, bärtiger Mann vor einem Stuhl mit hoher Rückenlehne stand. Eragon befand sich im großen Saal der Burg. Zu seiner Rechten, zwischen ihm und den Türen, die zum Tor des Wohnturms führten, stand ein Kontingent von fünfzig oder mehr Soldaten. Die goldenen Fäden in ihren Wämsern glitzerten, als sie sich überrascht in Bewegung setzten.
»Tötet ihn!«, befahl der Mann in der Robe und klang dabei eher verängstigt als fürstlich. »Wer immer ihn tötet, dem soll ein Drittel meiner Schatzkammer gehören! Das verspreche ich!«
Die Aussicht, abermals aufgehalten zu werden, war unerträglich. Entschlossen riss Eragon sein Schwert aus der Scheide, hob es über den Kopf und rief: »Brisingr!«
Mit einem Rauschen umhüllten geisterhafte blaue Flammen die Klinge und liefen auf die Spitze zu. Die Hitze des Feuers wärmte Eragons Hand, seinen Arm und sein Gesicht.
Dann richtete Eragon den Blick auf die Soldaten. »Bewegt euch«, knurrte er.
Die Soldaten zögerten nur einen Augenblick, dann wandten sie sich ab und flohen.
Eragon stürmte vorwärts, ohne die in Panik geratenen Nachzügler in Reichweite seines brennenden Schwertes zu beachten. Ein Mann stolperte vor ihm und rappelte sich wieder auf. Eragon sprang über ihn hinweg und berührte dabei nicht einmal die Quaste am Helm des Soldaten.
Eragon war so schnell, dass die Flammen hinter der Klinge herwehten wie die Mähne eines galoppierenden Pferdes.
Mit vorgeschobenen Schultern stürmte Eragon durch die Doppeltüren des Saals und jagte durch eine lange, breite Halle, vorbei an Räumen voller Soldaten links und rechts, an Zahnrädern, Seilzügen und anderen Vorrichtungen, die benutzt wurden, um die Tore des Wohnturms zu öffnen und zu schließen. Dann rammte er in vollem Lauf das Fallgitter, das den Weg dorthin versperrte, wo Roran gestanden hatte, als die Front des Turms eingestürzt war.
Das Eisengitter verbog sich, als Eragon dagegenkrachte, aber nicht genug, dass das Metall brach.
Er taumelte einen Schritt zurück.
Wieder bediente er sich der Energie in den Diamanten seines Gürtels – dem Gürtel von Beloth dem Weisen. Er leitete sie in Brisingr und leerte den kostbaren Vorrat der Edelsteine, während er das Feuer des Schwertes zu beinahe unerträglicher Intensität schürte. Ein wortloser Schrei entrang sich seiner Kehle, als er ausholte und auf das Fallgitter einhieb. Ein Regen orangefarbener und gelber Funken sprühte auf und brannte ihm kleine Löcher in Handschuhe, Wams und bloße Haut. Ein Tropfen geschmolzenen Eisens fiel zischelnd auf die Spitze seines Stiefels. Mit einer schnellen Drehung des Fußes schüttelte er ihn ab.
Dreimal durchschnitt er das Gitter, dann fiel ein mannshoher Teil davon nach innen. Die durchtrennten Enden des Gitters glänzten weiß glühend und erleuchteten die Umgebung mit einem schwachen Schein.
Eragon ließ die Flammen, die sich von Brisingr erhoben, ersterben und stürmte durch die Öffnung im Fallgitter weiter.
Der Gang führte ihn nach links, nach rechts und dann wieder nach links – dazu gedacht, das Vorrücken feindlicher Truppen zu verlangsamen, denen es gelungen war, sich Zutritt zum Wohnturm zu verschaffen.
Als er um die letzte Ecke bog, lag sein Ziel vor ihm: der unter Trümmern begrabene Vorraum. Trotz seiner Elfensicht konnte Eragon in der Dunkelheit nur die gröbsten Umrisse erkennen, denn die Steinlawine hatte die Fackeln an den Wänden gelöscht. Er hörte ein merkwürdiges
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