Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
Zauber blieb den Bewohnern Saphiras und seine Anwesenheit verborgen, während sie über sie hinwegsegelten.
Als er die Dörfer musterte, ging es Eragon durch den Sinn, wie klein und abgeschieden sie waren, und rückblickend, wie klein und abgeschieden auch Carvahall gewesen war. Verglichen mit den großen Städten, die er besucht hatte, waren die Dörfer nur eine Ansammlung von Hütten für die einfachen, armen Leute. Viele von diesen Männern und Frauen waren noch nie weiter als ein paar Meilen von ihrem Geburtsort weggekommen und würden ihr ganzes Leben in einer Welt verbringen, die in etwa so groß war, wie weit ihr Blick reichte.
Was für eine beschränkte Existenz, dachte er.
Und doch fragte er sich, ob es nicht vielleicht besser war, an einem Ort zu bleiben und alles zu lernen, was es über diesen Ort zu wissen gab, statt ständig durchs Land zu streifen. War breites, aber oberflächliches Wissen einem begrenzten, aber fundierten Wissen überlegen?
Er war sich nicht sicher. Oromis hatte ihm einmal erklärt, dass sich die ganze Welt aus dem kleinsten Sandkorn herleiten ließ, wenn man es nur genau genug erforschte.
Der Buckel war bei Weitem nicht so hoch wie das Beor-Gebirge, doch seine glatt und steil aufragenden Felsgipfel erhoben sich dennoch tausend Fuß und mehr über Saphira, die sich dazwischen hindurchschlängelte und den im Schatten liegenden Schluchten und Tälern folgte, die das Gebirge durchzogen. Ab und zu musste sie höher aufsteigen, um über einen kahlen, verschneiten Pass zu fliegen. Von dort konnte Eragon weit übers Land blicken und er dachte, dass die Berge aussahen wie Backenzähne, die aus den grauen Kiefern der Erde wuchsen.
Als Saphira über ein besonders tiefes Tal glitt, sah er am Grund des Tals eine Lichtung mit einem Fluss, der sich durch grüne Wiesen schlängelte. Und am Rand der Waldlichtung erspähte er etwas, was Häuser sein konnten – oder vielleicht Zelte, das war schwer zu sagen –, halb verborgen unter den breiten Kronen der Kiefern, die die angrenzenden Hänge bedeckten. Ein einziges Feuer schien durch die Zweige wie ein winziges Bröckchen Gold, eingebettet in die Schichten schwarzer Nadeln. Er glaubte, eine einsame Gestalt zu erkennen, die sich schwerfällig vom Fluss entfernte. Die Gestalt wirkte seltsam massig und ihr Kopf schien viel zu groß zu sein für ihren Körper.
Ich denke, das war ein Urgal.
Wo?, fragte Saphira und er spürte ihre Neugier.
Auf der Lichtung hinter uns. Er teilte die Erinnerung mit ihr. Ich wünschte, wir hätten Zeit, umzukehren und es herauszufinden. Ich würde gern sehen, wie sie leben.
Sie schnaubte. Heißer Rauch strömte aus ihren Nüstern, ihren Hals hinab und über Eragon hinweg. Sie würden vielleicht nicht freundlich darauf reagieren, wenn ein Drache und ein Reiter ohne Vorwarnung bei ihnen landeten.
Er hustete und blinzelte, als seine Augen tränten. Würde es dir etwas ausmachen …?
Sie antwortete nicht, aber der Rauch aus ihren Nüstern verebbte und die Luft um ihn herum wurde wieder klar.
Bald darauf kam die Form der Berge Eragon vertrauter vor und dann öffnete sich unter ihnen ein breiter Einschnitt. Saphira und er erkannten, dass sie über den Pass flogen, der nach Teirm führte – denselben Pass, den er und Brom zweimal zu Pferd überquert hatten. Er war ganz so, wie er ihn in Erinnerung hatte: Der westliche Zweig des Toark floss nach wie vor munter dem fernen Meer zu und das Wasser war von weißen Schaumkronen durchbrochen, wo Felsen und Steine im Flussbett seinen Lauf behinderten. Die primitive Straße, der er und Brom entlang des Flusses gefolgt waren, war noch immer eine bleiche, staubige Linie, kaum breiter als ein Wildwechsel. Er glaubte sogar, eine Baumgruppe zu erkennen, wo sie haltgemacht hatten, um zu rasten.
Saphira wandte sich nach Westen und folgte dem Fluss, bis die Berge üppigen, vom Regen durchnässten Feldern wichen, woraufhin sie ihren Kurs korrigierte und etwas weiter nach Norden schwenkte. Eragon hinterfragte ihre Entscheidung nicht. Sie schien niemals die Orientierung zu verlieren, nicht einmal in einer sternenlosen Nacht oder in Farthen Dûr tief unter der Erde.
Die Sonne berührte den Horizont schon fast, als sie den Buckel hinter sich ließen. Während sich die Abenddämmerung über das Land breitete, beschäftigte Eragon sich damit, sich auszudenken, wie er Galbatorix fangen, töten oder narren konnte. Nach einer Weile tauchte Glaedr aus seiner selbst auferlegten Isolation auf und
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