Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
beobachtet wie bisher – sie so eingehend studiert wie ein Reh, an das er sich heranpirschte – und daraufhin hatte er einige ihrer Zweikämpfe gewonnen. Er war ihr jedoch noch immer nicht ebenbürtig, geschweige denn überlegen. Und er wusste nicht, was er lernen musste – noch wer es ihm beibringen konnte –, damit er mit der Klinge ebenso geschickt wurde, wie sie es war.
Vielleicht hat Arya recht und Erfahrung ist jetzt der beste Ratgeber, dachte Eragon. Erfahrung braucht aber Zeit, und Zeit habe ich am allerwenigsten. Wir werden bald in Dras-Leona sein und dann kommt Urû’baen. Spätestens in ein paar Monaten werden wir uns Galbatorix und Shruikan stellen müssen.
Seufzend rieb er sich übers Gesicht und versuchte seine Aufmerksamkeit auf andere, weniger beunruhigende Dinge zu lenken. Doch immer kehrten seine Gedanken zu den gleichen Befürchtungen zurück und er kaute darauf herum wie ein Hund auf einem Markknochen, nur dass er nichts weiter davon hatte, im Gegenteil: Es bereitete ihm nur immer größere Sorge.
In Grübeleien versunken stieg er den Hügel wieder hinab. Er schlenderte zwischen den im Schatten liegenden Zelten hindurch und bewegte sich grob in Richtung seines eigenen, achtete jedoch nicht so genau darauf, wohin seine Schritte ihn lenkten. Das Gehen beruhigte ihn, so war es immer schon gewesen. Die Männer, die noch unterwegs waren, machten ihm bereitwillig Platz. Zum Gruß schlugen sie sich mit der Faust an die Brust und viele sprachen ihn respektvoll mit »Schattentöter« an, worauf Eragon mit einem höflichen Nicken reagierte.
Er war eine Viertelstunde gegangen, stehen geblieben und wieder weitergegangen, wie der Fluss seiner Gedanken es ihm diktierte, als die schrille Stimme einer Frau, die mit großer Begeisterung irgendetwas schilderte, seine Überlegungen unterbrach. Neugierig folgte er der Stimme, bis er zu einem Zelt kam, das ein wenig abseits nah am Fuß einer knorrigen Weide stand. Die Weide war der einzige Baum am See, den die Varden nicht gefällt hatten, um Feuerholz zu gewinnen.
Dort unter den Ästen des Baumes bot sich ihm der seltsamste Anblick, den er je gesehen hatte.
Zwölf Urgals, darunter ihr Kriegshäuptling Nar Garzhvog, saßen im Halbkreis um ein ruhig flackerndes Lagerfeuer. Furchterregende Schatten tanzten auf ihren Gesichtern, hoben ihre kräftige Stirn hervor, die breiten Wangenknochen, das massige Kinn ebenso wie die Furchen ihrer Hörner, die ihnen aus der Stirn wuchsen und sich zu beiden Seiten des Kopfes zurückbogen. Arme und Oberkörper der Urgals waren nackt, bis auf die Ledermanschetten an ihren Handgelenken und die Stoffriemen, die sich von ihren Schultern zur Taille schlangen. Neben Garzhvog hockten noch drei weitere Kull. Ihre massige Größe ließ den Rest der Urgals – von denen keiner kleiner war als sechs Fuß – eher wie Kinder wirken.
Zu den Urgals – zwischen ihnen und auf ihnen – hatten sich mehrere Dutzend Werkatzen in ihrer Tiergestalt gesellt. Viele der Katzen saßen aufrecht vor dem Feuer, vollkommen reglos, bewegten nicht einmal den Schwanz, die buschigen Ohren aufmerksam nach vorn gerichtet. Andere lagen ausgestreckt auf dem Boden, auf dem Schoß eines Urgals oder in seinen Armen. Zu Eragons Erstaunen entdeckte er eine Werkatze – ein schlankes weißes Weibchen –, die zusammengerollt auf dem breiten Schädel eines Kull lag. Ihr rechtes Vorderbein hing auf seine Stirn hinunter, die Pfote hatte sie ihm besitzergreifend auf die Mitte seiner Stirn gedrückt.
So winzig die Werkatzen im Vergleich zu den Urgals waren, sie wirkten genauso wild, und Eragon wusste, wem er in einer Schlacht lieber gegenüberstehen würde. Urgals kannte er, während Werkatzen … unberechenbar waren.
Auf der anderen Seite des Feuers, vor dem Zelt, saß Angela, die Kräuterhexe, im Schneidersitz auf einer gefalteten Decke und spann aus einem Berg gekämmter Wolle einen dünnen Faden. Die Handspindel hielt sie vor sich, als wolle sie alle in ihren Bann ziehen, die ihr zusahen. Sowohl die Werkatzen als auch die Urgals sahen sie aufmerksam an und ließen sie keinen Moment aus den Augen, während sie erzählte:
»… aber er war zu langsam und der tobende rotäugige Hase riss Hord die Kehle auf und tötete ihn auf der Stelle. Dann floh er in den Wald und man hat nie wieder von ihm gehört. Jedenfalls …«, und hier beugte Angela sich vor und fuhr leiser fort, »… wenn ihr durch diese Gegend reist, so wie ich es getan habe … so werdet ihr auch heute
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