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Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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bis Ihr genug der Kräfte gesammelt hättet, für Euch selbst zu kämpfen. Er ging, weil er jetzt eine Gefahr für Euch ist. Er sagte - noch anderes.« Sie schüttelte leicht den Kopf, dann sprach sie weiter. »Er sagte, er wäre sich nicht bewußt gewesen, daß seine eigene Fähigkeit, zu leiden, Grenzen hätte.«
    »Die Ebene der Winde! Er muß in Ymris sein.«
    Da hob sie den Blick, aber sie widersprach nicht.
    »Sucht ihn, Morgon. Ganz gleich, wie gefährlich das für Euch beide ist. Er war lange genug allein.«
    »Ja, ich werde ihn suchen.« Er drehte sich um und kniete neben Rendel nieder. Sie starrte ins Feuer; erst als er sie berührte, sah sie ihn an. Etwas Wildes, nur halb Menschliches spiegelte sich in ihren Augen, so als hätte sie in die Erinnerungen des Erhabenen hineingeblickt. Er nahm ihre Hand.
    »Komm mit mir.«
    Sie stand auf. Er verband seinen Geist mit dem ihren und ließ ihn weit in die Nacht hinausfliegen, bis er einen Stein berührte, der, wie er sich erinnerte, jenseits der Sümpfe lag. Als Lyra den Saal betrat, um ihm sein Nachtmahl zu bringen, trat er einen Schritt auf sie zu und verschwand.
    Sie standen zusammen im Nebel und sahen nichts als schattenhafte Weiße, die sie umgab wie eine Schar von Geistern. Morgon schickte wieder seinen Geist aus, hinaus aus den Nebelschwaden, über die Hügelketten hinweg, ließ ihn weiter fliegen als je zuvor. Er verankerte sich im knorrigen Herzen einer Fichte. Morgon folgte mit seinem Körper.
    Als er in den von Winden gepeitschten Wäldern zwischen Herun und Ymris neben dem alten Baum stand, spürte er plötzlich, wie seine überanstrengten Kräfte nachließen. Er konnte sich kaum noch konzentrieren; seine Gedanken schienen vom Wind zerfetzt. Sein Körper, auf den er in letzter Zeit nur gelegentlich geachtet hatte, meldete seine Bedürfnisse an. Er fröstelte vor Kälte; die Erinnerung an den würzigen Duft heißen Fleisches, das Lyra in den Saal gebracht hatte, wollte ihn nicht loslassen. Episoden aus dem Leben des Harfners schössen ihm in raschen Bildern durch den Kopf. Er hörte die wohlklingende, gelassene Stimme, die mit Königen, mit Händlern und mit Ghisteslohm sprach, und er sah das Antlitz des Harfners vor sich, der immer Rätsel aufgegeben hatte, nicht mit seinen Worten, sondern mit alldem, was er nicht aussprach. Dann schoß eine Erinnerung wie sengendes Feuer durch Morgons Gedanken, und ein Laut des Entsetzens kam ihm über die Lippen. Er spürte, wie der Nordwind an ihm rüttelte.
    »Ich hätte ihn beinahe getötet.« Er war außer sich über seine Blindheit. »Ich habe den Erhabenen durch das ganze Reich gehetzt, um ihn zu töten.« Dann aber bohrte sich ein scharfer, vertrauter Schmerz in sein Herz. »Er lieferte mich Ghisteslohm aus. Und dabei hätte er den Gründer mit einem Wort töten können. Statt dessen spielte er auf seiner Harfe. Kein Wunder, daß ich ihn niemals erkannte.«
    »Morgon, es ist kalt.« Rendel legte einen Arm um ihn; selbst ihr Haar fühlte sich an seinem Gesicht kalt an.
    Er versuchte, seinen Geist zu leeren, doch die Winde erfüllten ihn mit ihren Klagen, und er sah wieder das Gesicht des Harfners, wie es blind zum Himmel emporstarrte.
    »Er war ein Herr. «
    »Morgon.«
    Er spürte, wie ihr Geist forschend in den seinen eindrang. Überrascht ließ er es geschehen. Sie zu spüren, beruhigte ihn; ihre eigenen Gedanken waren sehr klar. Er löste sich von ihr, blickte durch die Dunkelheit in ihr Gesicht.
    »Um meinetwillen warst du nie so zornig.«
    »Oh, Morgon!« Sie hielt ihn wieder umschlungen. »Du hast es selbst gesagt - du kannst aushaken. Und so braucht er dich, deshalb überließ er dich Ghisteslohm. Ich drücke das schlecht aus.« sagte sie ärgerlich, als seine Muskeln sich spannten. »Du hast gelernt zu überleben. Glaubst du, für ihn war es leicht? Jahrhundertelang in Ghisteslohms Diensten auf der Harfe zu klimpern und auf den Sternenträger zu warten?«
    »Nein«, erwiderte er nach einem kurzen Schweigen und dachte an die zertrümmerten Hände des Harfners. »Er sprang mit sich selbst so erbarmungslos um wie mit mir. Aber wozu?«
    »Suche ihn. Frage ihn.«
    »Ich kann mich nicht einmal bewegen«, flüsterte er.
    Wieder berührte ihr Geist den seinen; und da ließ er endlich seine Gedanken in ihrer Annäherung zur Ruhe kommen. Er wartete geduldig, während sie die Nacht erkundete. Schließlich berührte sie ihn. Er ging mit ihr, ohne zu wissen, wohin er ging, und da begann er zu begreifen, wieviel

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