Erdzauber 03 - Harfner im Wind
der Wälder nach Süden.«
»Die Vesta sind großartige Kämpfer«, bemerkte Yrth. Er wirkte müde, nicht geneigt, sich auf eine Auseinandersetzung einzulassen, doch seine Stimme war voll von Langmut und Geduld. »Und sie werden den Winter in Ymris nicht fürchten.«
»Ihr habt es gewußt!« Mit einem Ruck wurden seine Gedanken aus ihrer Ruhe gerissen. »Ihr hättet ihn hindern können. Die Bergleute, die Vesta, die Wachen der Morgol - warum zieht Ihr sein solches Heer kriegsunkundiger und praktisch wehrloser Kämpfer zusammen? Ihr mögt blind sein, aber wir anderen werden zusehen müssen, wie diese Tiere und Menschen auf dem Schlachtfeld niedergemetzelt werden - «
»Morgon«, unterbrach die Morgol sanft, »Yrth trifft nicht meine Entscheidungen für mich.«
»Yrth - « Er brach ab und senkte den Kopf in die Hände, nicht willens, die sinnlose Auseinandersetzung fortzuführen.
Yrth stand auf und zog wieder Morgons Augenmerk auf sich. Ein wenig ungeschickt ging der Zauberer zwischen den Sitzkissen hindurch zum Feuer. Vor den Flammen blieb er mit gesenktem Kopf stehen. Morgon sah, wie seine zerschundenen Hände sich plötzlich zusammenkrampften unter Worten, die er nicht aussprechen konnte, und er dachte an Thods Hände, wie er sie damals gesehen hatte, gekrümmt vor Schmerz im Feuerschein. Und aus der Stille der Nacht von Herun kam ihm ein Echo des seltsamen, flüchtigen Friedens, den er, eingehüllt in das Schweigen des Harfners, an seinem Feuer gefunden hatte. Alle jene Empfindungen, die ihn an den Harfner banden und an den Falken, seine Sehnsucht und seine unbegreifliche Liebe, überwältigten ihn plötzlich. Während er zusah, wie Licht und Schatten dem harten, blinden Gesicht immer wieder neuen Ausdruck gaben, wurde ihm klar, daß er alles preisge-ben würde: die Vesta, die Wache der Morgol, die Landherr-scher, das ganze Reich. All dies war er bereit, für einen Platz im Schatten des Falken in die zerschundenen, schmerzgequälten Hände zu legen.
Diese Erkenntnis senkte eine merkwürdige, unbehagliche Ruhe in ihn. Er neigte den Kopf und starrte auf sein eigenes dunkles Spiegelbild im glänzenden Stein, bis Lyra, deren Blick auf ihn gerichtet war, plötzlich sagte: »Ihr müßt hungrig sein.« Sie schenkte ihm Wein ein. »Ich bringe Euch etwas Warmes zu essen.«
Mit geschmeidigem, anmutigem Schritt eilte sie aus dem Saal, und die Morgol blickte ihr nach. Sie sah müde aus, müder, als Morgon sie je gesehen hatte.
»Bergleute und Vesta und meine Wache«, sagte sie zu Morgon, »mögen in Ymris nutzlos erscheinen, aber, Morgon, die Landherrscher geben alle Kraft, die sie besitzen. Anderes können wir nicht tun.«
»Ich weiß.« Sein Blick wanderte zu ihr. Er wußte um ihre eigene Liebe zu einer alten Erinnerung. Und weil er ihr, für alles was sie ihm gegeben hatte, ein wenig Frieden zurückgeben wollte, sagte er unvermittelt: »Ghisteslohm berichtete mir, daß Ihr bei Lungold auf Thod gewartet habt. Ist das wahr?«
Sie schien ein wenig bestürzt über seine brüske Art, doch sie nickte.
»Ich dachte, er würde vielleicht nach Lungold kommen. Es war der einzige Ort, wohin er sich noch wenden konnte, und ich hätte ihn fragen können. Morgon, wir sind beide müde, Ihr und ich, und der Harfner ist tot. Vielleicht sollten wir - «
»Er starb - er starb für Euch.«
Über den Tisch hinweg starrte sie ihn an. »Morgon«, flüsterte sie warnend, doch er schüttelte den Kopf.
»Es ist wahr. Rendel hätte es Euch sagen können. Oder Yrth - er war dabei.«
Der Zauberer richtete helle, ausgebrannte Augen auf ihn, und Morgons Stimme begann zu zittern. Doch er fuhr fort zu sprechen, gab dem Harfner das Rätsel seines Lebens ungelöst zurück.
»Ghisteslohm ließ Thod wählen. Er sollte entweder Rendel oder Euch als Geisel festhalten, um Ghisteslohm die Möglichkeit zu geben, mich gewaltsam in den Erlenstern-Berg zurückzubringen. Doch Thod wählte statt dessen den Tod. Er zwang Ghisteslohm, ihn zu töten. Er hatte kein Mitleid mit mir. Vielleicht weil ich es auch ohne aushaken konnte. Doch Euch und Rendel hat er geliebt.« Er hielt inne und erschrak ein wenig, als sie die Hände vor ihr Gesicht schlug. »Habe ich Euch weh getan? Das wollte ich nicht - «
»Nein.«
Doch sie weinte, er sah es, und er verfluchte sich selbst. Yrth blickte ihn noch immer an; er fragte sich, wie der Zauberer jetzt sehen konnte, da Rendels Gesicht hinter ihrem Haar verborgen war. Der Zauberer machte eine seltsame Bewegung. Er hob
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