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Erfolg

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Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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lebt, säuft, hurt, in den Kirchen kniet, tauft, Justiz, Politik, Bilder, Fasching und Kinder macht, er möchte am liebsten aus diesem Land mit seinen Bergen, Flüssen, Seen, seinem Getier und seinem Gemensch einen Naturschutzpark machen. Jedenfalls will er dieses saftige, urlebendige Gewese schriftstellerisch konservieren, es rund um sich drehen mit seinen herrlichen Besonderheiten. Er will es, mit Hilfe des Komikers Hierl, aristophanisch plastisch machen in der Revue »Kasperl im Klassenkampf«.
    Sehr interessiert am Fortgang von Tüverlins Arbeit war Frau von Radolny. Sie verfehlte nicht, wenn sie in München war, Tüverlin aufzusuchen, schleppte ihn auch ein paarmal nach Luitpoldsbrunn. Sie brauchte Ablenkung, sie brauchte Pfaundler, die Revue, Tüverlin. Sie war zum erstenmal seit langen Jahren ernstlich unzufrieden mit sich. Sie hatte sich damals auf dem Ball der Nachtwandler falsch und dumm benommen. Hatte ihr Prinzip durchbrochen, Entschlüsse vor der Ausführung vierundzwanzig Stunden zu beschlafen. Wie jede Unbesonnenheit zog auch diese Kreise. Was hatte sie damals zusammengesponnen? Martin Krüger ihr Feind, Johanna ihre Feindin? Schmarren! Es hatte sich bald gezeigt, daß nichts so heiß gegessen wird wie gekocht. In Bayern jedenfalls nahm man die Geschichte mit der Fürstenenteignung ohne große Aufregung. Höchstens machte dort Eindruck der Hinweis auf die Art, wie der letzte, jetzt verstorbene König die Produkte seiner Ökonomie verwertet hatte, der Hinweis auf die hohen Preise besonders, die er auch während des Krieges für seine Milcherzeugnisse erzielte. Die Bevölkerung wollte ihren König repräsentativ. Sie fand, selber bäurisch, seine bäurischen Neigungen eines Monarchen unwürdig, schimpfte über seine Profitgier, verhöhnte ihn alsden Milchbauern . Aber trotzdem: die sehr große Majorität, die erforderlich wäre, um die Enteignung wirklich Gesetz werden zu lassen, wird nie zu haben sein. Es war kein zureichender Grund dagewesen für die Panik, die Katharina bei jener Nachricht überkommen hatte. Sie hatte eine Eselei gemacht.
    Zudem ging ihr Hessreiter mehr ab, als sie erwartet hatte. Sie ärgerte sich, daß sie selber ihn zu Johanna hinübergetrieben hatte durch ihr ungewöhnlich blödes Benehmen.
    Sie war, das kam selten vor, unsicher, wie sie weiterlavieren sollte. Schrieb gelegentlich Hessreiter über irgendeine geschäftliche Frage, nett, nicht zu warm, nicht zu kühl, so als ob nichts geschehen wäre. Schwankte lang, ob sie nicht auch Johanna schreiben solle. Allein das Gefühl ihrer ersten Dummheit machte sie zögern, und als dann eine verschnörkelte, ausweichende Antwort Hessreiters eintraf, die mehr das Geschäftliche berührte, schrieb sie Johanna nicht.
    Ihr äußeres Leben hielt sie wie stets. Aber sie fand sich altern, fand Schärfen in ihrem schönen fleischigen Gesicht. Ihre Haltung wurde müder, sie war manchmal nicht mehr mit der gleichen Selbstverständlichkeit Mittelpunkt wie früher. Sie fragte sich nicht, ob das an den andern lag oder an ihr, ob man begonnen habe, ihre Stellung anzuzweifeln oder sie selber. Jedenfalls suchte sie die Gesellschaft Tüverlins.
    Ihm gefiel die Dame, die massig und gegeben aus einer versinkenden Zeit in die seine hereinragte. Die Natürlichkeit behagte ihm, mit der sie sich bedienen ließ, mit der sie, eine echte Bayerin, die Welt als ihre Auster betrachtete. Auch interessierte ihn ihr Urteil; es war das Urteil einer ganzen Schicht, derjenigen Schicht, die freilich die ungeheure Dummheit des großen Kriegs, aber vorher alle Fundamente gemacht hatte, auf denen diese immerhin recht lobenswerte Epoche stand. Mochten Mißvergnügte die Zeit verfluchen: er wußte unter den früheren Epochen keine, in der er lieber gelebt hätte. Die gelegentlichen, beiläufigen, beruhigenden Versicherungen Kaspar Pröckls, im marxistischen Staat würdebei aller sozialen Gleichstellung der individuelle Lebensraum des einzelnen nicht eingeengt werden, minderten sein Mißtrauen nur wenig.
    Er ließ sich also die häufige Gegenwart der gelassenen und gescheiten Dame gern gefallen, überzeugt allerdings, daß ihre Meinungen über die Revue nur bedingten Wert hätten. Gelegentlich auch sprach er von Hessreiter und Johanna. Klug, ohne unterstrichenes Interesse, wie er glaubte. Aber sie merkte besser als er selbst, wie sehr ihm Johanna fehlte. Sie sah, daß er, hörte nur erst seine Arbeit auf, bedingungslos an Johanna zurückfallen werde. Sie suchte ihn zu sich

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