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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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die Wut, der Ärger, wenn Stockungen kamen Widerstände, wenn sich zeigte, daß am Organismus etwas nicht in Ordnung war. Die Befriedigungdann, wenn es sich wieder einrenkte, so also, daß sich erwies: der Gedanke war wirklich lebendig, voll Widerhaken eben und Widerspruch. Prachtvoll die Arbeit an der Schreibmaschine, wenn die Buchstaben sich hineinwühlten ins Papier, Werk wurden, sichtbar. Die Lust, wenn plötzlich ein Einfall aufsprang, überraschend, irgendwo, unvermutet, im Bad, beim Essen, über dem Lesen eines Zeitungsblattes, mitten in einem albernen Gespräch. Willkommen auch jener finstere Zustand, wo man dahockte, fluchend, sich zusammenigelnd, weil man sich sagte: Es geht nicht, es läßt sich nicht zwingen. Da liegt dieser Berg vor einem, man kommt nicht hinauf. Nie wird man hinaufkommen. Recht haben die andern, die einen auslachen. Es fehlt an Kraft, man hat sich übernommen. Man ist ein Stümper. Dann wieder das deprimierende, aufstachelnde Gefühl, wenn man über den Werken derer saß, die es dennoch zwangen. Wenn aus ihren Büchern das abgelebte Leben neu aufstand, mit dem eigenen sich mischend. Man saß über dem alten, erquickenden Aristophanes, lachte, wie er gelacht hatte, als er diesen Witz fand, diesen kleinen Dreh, mit dem er über die sicherlich genau ebenso gespürte Schwierigkeit wegkam.
    Was war Komfort, was Frauen, Reisen, was konnten geschäftliche, politische Siege sein, was war Erfolg vor dieser Lust an der Arbeit? Wie jämmerlich nahm sich das aus vor diesem zehnmal wirklicheren, in Raum und Zeit verzehnfachten Leben des Schrift, Gestalt, Gleichnis zeugenden Menschen?
    Ein bißchen komisch war diese Gesellschaft und ihre Ordnung, die sonst vor jeden Genuß schwere Zahlung setzte, aber in seinem Fall dem noch zahlte, der sich solche Genüsse schuf. Wenn es ihm verwehrt worden wäre, zu schreiben, hätte er nicht noch mit niedrigster Arbeit die Vergünstigung bezahlt, schreiben zu dürfen?
    Er storchte, stelzte, wippte herum in seiner Wohnung, schlenderte durch die Straßen, das zerknitterte Gesicht beschäftigt, listig und vergnügt, fuhr mit seinem Wagen in dieBerge, spazierte mit dem Ingenieur Pröckl in den Wäldern des Isartals, am Ammersee. Er trieb viel Sport in jener Zeit, schwamm, trotzdem es früh im Jahr war und das Wasser sehr kalt, zwang seinen kleinen Wagen über schwierige, steile Nebenwege. Er übte sich weiter im Boxen, im Jiu-Jitsu. Seine schmalen Hüften wurden gelenkiger, Brust und Schultern breiter.
    Jedermann sprach er von seiner Arbeit. Hörte jeden Einwand an, die Einwände aus unbefangenem Mund lieber als die von sogenannten Sachverständigen. Schmiß, leuchtete ihm ein Bedenken ein, mühevoll Erarbeitetes gleichgültig fort. Seine rötlich überflaumten Hände gestikulierten. Sein nacktes, zerknittertes Gesicht blinzelte lustig.
    Er versuchte, dem höhnischen, skeptischen Kaspar Pröckl auseinanderzusetzen, warum er sich gerade in diesen Stoff München mit solcher Anspannung hineinwühlt. Er sieht gut das Läppische der großspurigen Stadt: aber gerade so wie sie ist, liebt er sie. Hat nicht Cervantes den Don Quichotte deshalb durch die Jahrhunderte haltbar machen können, weil er ihn mit dem Hirn ablehnt, doch mit dem Herzen ja zu ihm sagt? Tüverlin erkennt genau den Menschen der Hochebene in allen seinen Mängeln; allein sein Herz hängt an ihm. Er liebt diesen Menschen, der nur Sinneswahrnehmungen hat, die er praktisch verwenden kann, dem es aber nicht gegeben ist, gedankliche Zusammenhänge herzustellen. Er liebt dieses Wesen, das sich, an Urteilskraft zurückgeblieben hinter den meisten andern Weißhäutigen, mehr tierhaft triebhafte Instinkte bewahrt hat. Jawohl, dem Schriftsteller Jacques Tüverlin gefällt dieser nur oberflächlich zivilisierte Wald- und Frühackermensch, der mit Zähnen und Klauen das Erworbene festhält, mißtrauisch, dumpf knurrend, wenn Neues an ihn heran will. Ist er nicht großartig in seiner Ich-Beschränktheit, dieser Bewohner der bayrischen Hochebene? Wie er seine Fehler als Stammeseigentümlichkeiten glorifiziert. Mit welcher Überzeugung nennt er seine atavistische Plumpheit patriarchalisch, seine Grobheit knorrig, seine dumpfe Stierwutgegen alles Neue Sinn für Tradition. Prachtvoll, wie er sich wegen seiner primitiven Rauflust als den bayrischen Löwen feiert. Es liegt Tüverlin fern, diese Stammeseigentümlichkeiten zu verhöhnen. Im Gegenteil, er möchte am liebsten aus der bayrischen Hochebene mit allem, was darauf

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