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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Felle haben. Wie Dr. Geyer sehe, ein einleuchtendes Geschäft. Während der Junge diesen Plan entwickelte, nonchalant, das albern Phantastische nicht verschleiernd, sondern vielmehr mit einem gewissen Hohn geradezu betonend, betrachtete Dr. Geyer die Hosen, in denen die gekreuzten Beine des Jungen staken. Denn zu seinem Gesicht wagte er nur selten aufzublicken. Es waren aber karierte Hosen aus einem festen, englischen Stoff, gut gebügelt. Der Anwalt Geyer sagte sich, daß er wahrscheinlich niemals so gute Hosen getragen habe. Sie wirkten weit,locker und durch die strenge Bügelfalte dennoch stramm. Unter ihnen zeigten sich Strümpfe aus einem dünnen, mattglänzenden, edeln Stoff. Die Schuhe saßen ausgezeichnet, schmiegten sich stark und bequem. Sicher waren sie nach Maß gefertigt.
    Dr. Geyer, schlampig, in unschöner Haltung, vermied das Gesicht des Jungen. Seine Augen irrten ab, suchten den Boden. Er hörte nicht recht hin auf die frech-phantastische Geschichte, die da, ihm zum Hohn, vor ihm ausgekramt wurde. Vielmehr dachte er, was wohl die Mutter, was wohl Ellis Bornhaak dazu gesagt hätte, daß jetzt der Junge doch vor ihm sitze, in seinem Haus, angewiesen auf seine Hilfe, trotz allem. Er sah das große Mädchen Ellis, wie er es zum ersten Male gesehen hatte damals, als er nach bestandenem Examen die paar Wochen an dem österreichischen See verbrachte. Er mußte wohl sehr beschwingt gewesen sein damals, witzig, dringlich, erfüllt von einem Gefühl, das sich schnell übertrug. Alles in allem war es ihm heute noch ein Rätsel, wie er das große, schöne Mädchen so rasch zu sich hatte herüberziehen können. Sie war frisch gewesen, straffe Haut über prallem, schlankem Fleisch, ein schönes, kühnes, nicht sehr kluges Gesicht; oft, wenn er Johanna Krain sah, mußte er an sie denken. Die warmen Nächte am See, wenn sie zusammenlagen, faul, glücklich, sich amüsierend über die Unbequemlichkeiten, die die Mücken in der Luft, die Käfer im Moos, die Ameisen ihnen bereiteten. War das wirklich er, der damals im Wald gelegen war mit dem Mädchen? Dann, wie die Verwicklungen kamen, wie sie schwanger war, schwankend, ob sie das Kind austragen solle. Der Krach mit ihrer bürgerlich strengen Familie. Wie sie dann doch zu ihm hielt, wie er glücklich war, ihr das bißchen Geld zu geben, über das er verfügte. Wie sie zweifelte, ob sie ihn heiraten solle. Nein sagte, ja, schließlich beim Nein blieb. Wie sie dann, warum, wußte er heute noch nicht, anfing, ihn zu hassen, sich kalt lustig machte über seine phantastisch-fahrige Art, seine zwinkernden Augen. Wie er ratlos stand vor diesem wachsenden, bösartigen Haß.Wie sie seine dringlichen Vorstellungen, zu heiraten, mit Verachtung abwies. Wie sie schließlich, gerade als es anfing, ihm gut zu gehen, kein Geld mehr von ihm nahm. Nach Norddeutschland fortzog, verfeindet mit ihrer Familie, seine Briefe nicht erwidernd. Sich elend und überaus mühevoll durchschlug. Ihr Kind großzog im Haß gegen den Mann Geyer, den Juden, den sie einige Wochen geliebt hatte und der ihr dann verhaßt geworden war wie ein stinkendes, widerwärtiges Tier. Wie dann der Junge, wahrscheinlich weil ihm das farblose, ärmliche Leben zu Hause zuwider war und er sich fürs Gymnasium nicht eignete, freiwillig ins Feld zog, in sehr jungen Jahren. Wie die Mutter an der Grippe starb. Wie der Junge zurückkehrte, verlottert durch den Krieg, windig, nicht mehr tauglich zu ernsthafter Arbeit. Wie die Eltern der toten Frau widerwillig einiges für ihn taten, sich dann endgültig von ihm abwandten. Wie er, der Anwalt, ihm seine Hilfe anbot, immer dringender, immer wieder abgewiesen. Wie der Junge sich zusammenschloß mit diesem peinlichen Frontkameraden, der acht Jahre älter war als er und ihm doch so ähnlich, diesem widerwärtigen von Dellmaier. Wie der Anwalt mit dem Jungen an dritten Orten zusammentraf, ihm zu helfen versuchte. Wie der dumpfe, unerklärliche Haß der Mutter sich auf ihn vererbt hatte, dem ratlosen Geyer immer wieder entgegensprang. Wie der Junge ihn verhöhnte, stets von neuem, gerade vor ihm seine Spuren zu verbergen suchte.
    Dies alles dachte, sah, lebte der Anwalt Geyer, während Erich vor ihm saß, ein junger Nichtsnutz in gutgebügelten Hosen und tadellos sitzenden Schuhen, das alberne Projekt von der Katzenfarm entwickelnd.
    Unvermittelt fragte Dr. Geyer: »Ist Herr von Dellmaier auch in dem Geschäft?« Erich, herausfordernd, erwiderte: »Ja, natürlich. Hast du was

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