Erfolg
Nicht einmal als Mitglied der Partei hatte er sich einschreiben lassen. Zum Kotzen, wie oft der Reindl recht hatte. Man mußte es aufgeben. Ein eindeutiges Rot oder Weiß war aus dem Kerl nicht herauszukriegen. Er sympathisierte , aber sein Name durfte nicht genannt werden.
Dieser Herr, der nicht genannt werden wollte, lag immer noch auf dem Bauch, mit sichtlichem Behagen, und kehrte dem Klenk seinen Rücken zu, an dem Herr Zwelfinger herumknetete. Den Mann dahin zu bringen, daß er sein Gesicht zeigte, war aussichtslos.
Klenk, als er den Fünften Evangelisten verließ, nahm mit sich das Versprechen, daß noch am gleichen Tag eine Organisation mit einem allgemein klingenden, unverbindlichen Namen ihm für die Zwecke der Wahrhaft Deutschen einen großen Scheck schicken werde. War Klenk verschnupft, daß es wiederum bloß eine anonyme Organisation war und nicht der Reindl? Natürlich schimpfte er in seinem Innern, als er die große Treppenhalle herunterging, vorbei an dem »Sterbenden Aretino«, einem riesigen Bild, das einen bekränzten, dekorativen Greis darstellte, der inmitten üppiger Huren an glanzvoller Tafel hintenübersinkt. Der Knallprotz, der geschwollene, dachte er. Wie er es einem immer wieder hinrieb, daß er die Wahrhaft Deutschen allesamt für einen Ausbund von Dummheit und Blumenkohl hielt. Er hatte natürlich recht. Es war ein Saustall, daß es ausgerechnet eine so dumme Partei sein mußte, mit der der Klenk arbeitete. Jünger müßte man sein. Dann könnte man sich bedenkenfreier in den schmutzigen Strom schmeißen, bloß weil er so stark ist. Er dachte daran, seinen Buben, den Simon, den Bams, nach München zu holen. Der riß in Allertshausen gewaltig das Maul auf, war begeistert von seinem Vater, dem Kutzner. Der durfte es, sollte es. Der war jung, hatte das Privileg, dumm zu sein.
Trotz dieser Erwägungen fiel es dem Klenk nicht ein, dem Reindl seinen Scheck vor die Füße zu schmeißen. Im Grund nahm er es ihm nicht einmal übel, daß er recht hatte. Von dem kannst du was lernen, Otto Klenk, dachte er. Die Tarnkappe, dachte er. Er wurde zunehmend vergnügter. Einst wird kommen der Tag, dachte er, und er hörte im Innern die leisen Paukenschläge jener Ouvertüre.
11
Der nordische Gedanke
Erich Bornhaak arbeitete mit wildem Eifer im Sekretariat der Wahrhaft Deutschen. Die außenpolitische Lage wurde gespannter von Tag zu Tag, die legalen Behörden schwächer, die Patrioten mächtiger. Noch vor der Baumblüte, hatte Kutzner verheißen, werde er die Macht übernehmen. Bis dahin war viel zu tun. Weder Klenk noch Kutzner gaben sich mit Kleinarbeit ab; alles hing an Erich.
Sehr verschiedene Leute gingen ein und aus im Hauptquartier der Patrioten. Es kam zum Beispiel Rochus Daisenberger, er präsentierte Rechnungen. Er trug noch immer seinen gesträhnten melierten Bart, das gescheitelte, langwallende Haar, auch den feierlichen schwarzen Rock. Mit Begeisterung hatte er eine Apostelrolle in dem großartigen Spiel der Wahrhaft Deutschen übernommen. Er leistete gute Arbeit. Vor allem auf dem Land. Den Bauern ging es gut, sie deckten mit dem entwerteten Geld der Inflation ihre Schulden ab, lebten üppiger als je. Der hagere Mann mit den kleinen, lustigen Augen setzte ihnen auseinander, die Wahrhaft Deutschen würden durch Abschaffung des jüdischen Zinskapitals den jetzigen seligen Zustand verewigen. Er predigte weltschlau und pathetisch. Sein Auftreten machte Eindruck; wo er arbeitete, stieg die Zahl der eingeschriebenen Parteimitglieder. Aber der heilige Agitator war nicht billig. Er rechnete hohe Spesen für seine Fahrten aufs Land; die Wagen, die er der Partei vermietete und verkaufte, waren teurer als die jedes andern Fuhrparks. Erich Bornhaak begnügte sich, ihm der Form halber ein paar Posten abzustreichen. Die Kassen der Partei flossen über. Die deutsche Industrie, auch gewisse Kreise im Ausland, waren nicht geizig. Erich hatte nichts dagegen, daß der schlaue Heilige Fettlebe mache.
Es kam auch der Professor Balthasar von Osternacher. Das Repräsentative der patriotischen Bewegung hatte es ihm angetan:die Fahnen, die Uniformen, der militärische Prunk, das exotische Fruchtbarkeitsemblem, der große Gestus des Kutzner, der Schall seiner Worte. Er malte, ihn ins Renaissancehafte hinaufstilisierend, an einem Bild des Führers, das den Versammlungssaal des Edda-Bundes schmücken sollte.
Oft auch im Sekretariat der Patrioten erschien Herr Pfaundler. Ursprünglich zweiflerisch, hatte er sich
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