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Der Hollywood-Mord

Der Hollywood-Mord

Titel: Der Hollywood-Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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    1
    Der Glitter Dome
    Das Ding war sechs Zoll lang, gut fünfzehn Zentimeter. Er schlug dagegen, aber es klang nicht, wie es klingen sollte: nach Erotik, Umsturz, Faszination, Terror. Er hatte gelesen, wie es von hundert Selbstmördern in ihren melodramatischen und pathetischen Abschiedsbriefen beschrieben worden war. Die moderne Technik hatte sogar vor Todesbotschaften nicht haltgemacht: in diesem Jahr waren vier letzte Grüße auf Tonbandkassetten übermittelt worden, ein allerletzter Beweis für das Ende der Fähigkeit, zu schreiben.
    Es war dunkel und kalt in der winzigen Küche. Der Kunststofftisch war schmierig und naß von verschüttetem Tullamore Dew, irischem Whiskey. Er schlug nochmals gegen das Ding. Es hatte zu lange an seinem Körper gehangen. Mehr Schwanz als der richtige. Er gebrauchte es einmal im Monat, wie es vom Los Angeles Police Department verlangt wurde. Er hatte versucht, das richtige Ding gerade in dieser Nacht zu gebrauchen. Die fünfte Flasche Tullamore Dew war fast leer. Er müßte eigentlich bewußtlos sein. Er war fast gestorben, und er konnte an nichts anderes mehr als an seinen Schwanz denken. Aber die Erinnerung an den Fehlschuß tat weh.
    Sogar der Pazifik war diese Nacht ins Schwitzen geraten. Der Wind vom Land war heiß und feucht. Er hätte sich umdrehen und den Glitter Dome, diese glitzernde Kneipe, in dem Moment verlassen sollen, in dem er reinkam. Es war gerade neun Uhr, aber da waren sie schon da, aufgereiht an der langen Bar wie die Hühner oder die Sturmschwalben.
    In Chinatown bekam er Kopfschmerzen, vor allem in den beiden Nächten im Monat, in denen sich die Hühner im Glitter Dome drängten, und doch war er genau deshalb hier. Zahltag bei der Polizei.
    Er hatte sich an den Busen der Cop-»Familie« geflüchtet. In den Glitter Dome, den glitzernden Dom. In die kaleidoskopischen Farben: die Grüns, Gelbs, Rots, all die, die er haßte. Unter die chaotisch blinkenden Lichter, ins Neonzwielicht. Zu den augenzwinkernden Groupies (ihn meinten sie selten) und den lüsternen Cops, die die Hühner an der langen, langen Bar von den Stangen zu reißen versuchten.
    Die Hysterie war greifbar. Der Glitter Dome war gerammelt voll, verräuchert, laut. Ein Dutzend Pärchen knallten auf einem Tanzparkett zusammen, das kaum größer war als ein französisches Bett. Und es hätte ebensogut ein Bett sein können: drei sich betatschende, ableckende und aneinander reibende Polizisten-Hühnerpaare machten alles außer Reinstecken.
    Er hätte sich sagen müssen, daß er wieder gehen sollte. Er hatte sogar darüber nachgedacht. Aber die Beine taten ihm weh nach einem Handballspiel an der Polizeischule. Seine verdammte Idee, zu versuchen, seinem Partner Martin Welborn hier die Ablenkung zu verschaffen, die er fürchterlich dringend brauchte, weil er nach der Trennung von seiner Frau mürrisch, verschlossen, ausgebrannt, unheimlich geworden war. Seit drei Jahren waren sie Partner, und er machte sich plötzlich Sorgen um Martin Welborn.
    Also, wenn nicht seine Freundschaft mit Martin Welborn und das Handballspiel und seine schmerzenden Beine gewesen wären, hätte er in dieser Nacht nicht fast sterben müssen. Er war auf dem besten Wege zu gehen, als eins von den Hühnern (in dem Fall mehr ein Geier) von einem Cop, den er kannte, vom Hocker gezerrt wurde, einem Straßenmonster namens Buckmore Phipps, der auf dem Hollywood Boulevard mit der Rücksichtnahme eines russischen Kanonenboots patrouillierte.
    »Wassehichda, wassagichda?« Buckmore Phipps grinste, wobei er zweiunddreißig Zähne seines Pferdegebisses entblößte, alle noch erstaunlich intakt, bezeichnend für die Art, in der dieses Straßenmonster auf dem Boulevard seinen Job machte. »Wenn das nicht Aloysius Mackey ist. Willkommen in der Schweinebucht!«
    Dann war Buckmore Phipps in Richtung Tanzfläche verschwunden mit seinem besoffenen Geier, wahrscheinlich einer Tippse. Al Mackey hatte es gelernt, die Tippsen von den Telefonmiezen zu unterscheiden, noch bevor sie den Mund aufmachten. Die Polizistinnen waren am leichtesten zu erkennen: Sie versprühten denselben Zynismus wie ihre männlichen Kollegen.
    Also gab's da jetzt einen leeren Barhocker, und seine Beine taten ihm weh, und er hatte plötzlich einen heftigen Jibber nach einem drei Finger hoch eingeschenkten Tullamore Dew. Er zeigte auf die Whiskeyflasche und nickte Wing, dem Besitzer, zu. Mit seinem überlangen Hals, den hohlen, tiefliegenden Augen und dem kleinen Kopf mit den

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