Erfolg
durch einen Schuß von rückwärts getötet. Einige Stunden später wurde die Leiche, quer über den Fußweg liegend, von der Gattin und dem neunjährigen Sohn gefunden. Schuhe, Uhr mit Kette und Anhänger, Tascheninhalt fehlten. Ein Verfahren gegen den Leutnant und die Soldaten fand nicht statt. Die Ansprüche der Witwe an den Staat wurden vom Landgericht und Oberlandesgericht München abgewiesen mit der Begründung, der tödlich Verunglückte habe zu einem sozialistischen, aufrührerischen Kreis von Leuten gehört und dadurch mittelbar die Ausschreitungen der Soldaten selber erzeugt.
Georg Kling und seine Tochter Marie Kling taten freiwillig Sanitätsdienste für die Linkstruppen. Marie Kling wurde vor ein Standgericht gestellt, freigesprochen, sollte den Tag darauf entlassen werden. Als der Vater sie am Entlassungstag abholen wollte, war sie in das Gefängnis Stadelheim überführt und dort als Zielscheibe verwendet worden. Man hatte sie zuerst ins Fußgelenk, dann in die Wade, dann in den Oberschenkel, dann in den Kopf geschossen. Da die Akten über den Fall der Militärgerichtsbarkeit verlorengingen, fand eine Verhandlung nicht statt.
Als die Truppen des konservativen Freikorps Lützow in den kleinen Ort Perlach bei München einrückten, verhafteten sie zwölf Arbeiter aus den Betten heraus, teils Parteilose, teils Rechtssozialisten. Keiner hatte sich an den Kämpfen beteiligt, bei keinem wurden Waffen gefunden. Der Perlacher Wirt wollte den Verhafteten Kaffee geben lassen; es wurde ihm erwidert, die brauchten nichts mehr. Die Gefangenen, nachdem sie sehr um ihr Leben gebeten hatten, wurden auf einem Kohlenhaufen des Hofbräukellers zu zweien und dreien in Abständen erschossen und ihrer Wertgegenstände und Papiere beraubt. Verhandelt gegen die Täter wurde nicht.Die Ansprüche der zwölf Frauen und fünfunddreißig Kinder, die sie hinterließen, wurden vom Reichswirtschaftsgericht abgewiesen.
Über die geplante, doch nicht vollzogene Exekution eines gewissen Schleusinger aus Starnberg bei München liegen Berichte aller Beteiligten vor. Dieser Schleusinger wurde zusammen mit einigen zwanzig andern jungen Menschen der Exekutionsstätte zugeführt. Ihnen voraus fuhr ein großer, grauer Wagen mit Chlorkalk und Karbol. Sie gelangten auf eine Wiese, die durch einen Bahndamm abgeschlossen war. Hundert Meter entfernt standen dicht Neugierige. Die zur Tötung Bestimmten wurden mit dem Rücken an den Bahndamm gestellt, die Soldaten standen etwa acht Meter entfernt. Einer von den Gefangenen brach im letzten Augenblick durch die Kette der Soldaten. Schüsse ihm nach. Soldaten ihm nach. Der Flüchtige, in Todesangst, windschnell, läuft den Sümpfen zu, schlägt einen sich Entgegenstellenden nieder, erreicht das deckende hohe Schilf. Der kommandierende Offizier, dadurch gereizt, bestimmt, daß der Rädelsführer Schleusinger vor seiner Erledigung zusehen müsse, wie eine solche Erledigung vor sich gehe. Da er den Kopf halb wegwenden will, wird ihm links und rechts ein Revolver an die Schläfen gesetzt: er muß zuschauen, wie seine Genossen wie Säcke hintenüberfallen. Allein wie jetzt er erledigt werden soll, keucht einer heran, winkt von weitem schon aus Leibeskräften mit einem weißen Zettel: der Ortsvorsteher. Der Offizier liest, befiehlt enttäuscht, den Schleusinger ins Gefängnis zurückzuführen. Der ist grauhaarig und nervenkrank seit jenem Tag; aber die andern sind tot.
Auch einundzwanzig Angehörige der konservativen Parteien kamen zu Tode. Ein Verein Katholischer Gesellen hielt einige Tage nach der Befreiung Münchens eine Versammlung ab, um die Vereinsaufführung eines frommen Stückes zu besprechen. Irgendwer, ein Spaßvogel wahrscheinlich, denunzierte die Versammlung als bolschewistisch. Daraufhin ließ ein gewisser Hauptmann von Alt-Sutterheim die Katholischen Gesellen verhaften. Sie wurden nach dem Karolinenplatz geführt,einem schönen, vornehmen und stillen Platz, wo ein Obelisk zweiunddreißig Meter hoch das Gedächtnis der dreißigtausend Bayern feiert, die, Napoleon als Preis für die Erhebung Bayerns zum Königreich zur Verfügung gestellt, in seinem russischen Feldzug umkamen. Fünf von den einundzwanzig Katholischen Gesellen wurden im Angesicht des Obelisken erschossen, die übrigen wurden in einen Keller gebracht. Dort machten sich die Soldaten an die Erledigung der Gefangenen, wobei ein Seitengewehr sich verbog. Einem von den Erledigten fehlte der halbe Hinterkopf, allen die
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