Erfolg
der eine glücklichere Zeit, einen klassenlosen, proletarischen Staat erleben wird, das war wohl wert, die blöde Lüge einer bürgerlichen Eheschließung mit in Kauf zu nehmen.
Recht ekelhaft freilich wird es sein, auf dem Petersberg zu stehen, im schwarzen Anzug und mit einer weißverschleierten Zenzi an der Seite. Der Genosse Pröckl und die andern werden ihn frotzeln, und sie werden recht haben.
Aber selbst wenn er Hochzeit und Ehe auf sich nimmt, die zweite Forderung der Zenzi, sich die Werkstätte von ihr kaufen zu lassen, sich als Unternehmer aufzutun, die kratzt ihn noch viel mehr als der Petersberg.
Wenn er nur sonst etwas fände, etwas Festes, Solides. Dann würde die Zenzi auch stad sein und eine Ruh geben. Wenn zum Beispiel seine provisorische Anstellung am Staatstheater festgemacht würde. Am Staatstheater schätzten sie ihn. Dort war seine Leistung in »Höher geht’s nimmer« aufgefallen, und gleich hatten sie ihn hinübergenommen. Die Staatsbühnen pflegten vor allem die Oper Wagners; denn die schmeichelte auf kompakte Art der nationalistischen Romantik, wie sie damals Mode war. Seinerzeit hatte die Stadt den Musiker Richard Wagner, als der romantische König Ludwig derZweite ihm in München ein Festspielhaus bauen wollte, als spinnert hinausgejagt. Fünfzig Jahre später dann, als der Ruhm dieses Richard Wagner im Scheitel stand, tat sie, als habe sie den Mann entdeckt, reklamierte seine Kunst für ihre lokalpatriotischen Belange, baute ihm in Ausführung der Terrainspekulationen eines gewiegten Theatermannes ein Festspielhaus. Die Oper Wagners erforderte einen umständlichen szenischen Apparat, der Münchner wünschte sein Theater dick und fett, die Lichteffekte der Revue »Höher geht’s nimmer« waren für das Wagnersche Festspielhaus gut zu brauchen. Der Beleuchtungschef der Staatsbühnen, entzückt von dem, was er in Pfaundlers Theater gesehen hatte, zog den findigen Benno Lechner zur Assistenz heran. Allein sosehr dieser Mann ihn schätzte, es bestand wenig Aussicht, daß er die von der Zenzi geforderte feste Anstellung an den bayrischen Landestheatern erhalten werde. Man war dort konservativ. Ausschlaggebend dort waren ältere Kammersänger und Hofschauspieler, die sich von einem Kommunisten vielleicht einmal aushilfsweise, aber sicher nicht auf die Dauer beleuchten ließen. Nein, dort wird er den festen Vertrag, den er für die Zenzi braucht, nicht erreichen.
Was sollte Benno Lechner tun? Die Zenzi drängte, binnen drei Wochen müsse das standesamtliche Aufgebot bestellt sein. Länger als bis dahin könne sie den Ankauf der Werkstatt nicht hinausziehen. Bis dahin also müsse der Beni sich entscheiden. Wenn nicht, dann, Sie entschuldigen schon, Herr Nachbar, mache sie Schluß. Sie habe noch drei Männer zur engeren Wahl. Länger als bis ins Frühjahr bleibe sie nicht in der Tiroler Weinstube. Noch vor der Baumblüte stehe sie im Brautschleier am Standesamt auf dem Petersberg; aber nicht mit einem Schlawiner.
Das waren schwierige Dinge. Benno Lechner wollte sie durchsprechen mit einem Menschen, auf dessen Urteil er etwas gab. Er ging in die Gabelsbergerstraße, zu Kaspar Pröckl.
Er traf den Pröckl nicht in einer Stimmung, in der gut mit ihm zu diskutieren war. Es war im Grund eine läppische Sache,und es war schon mehrere Tage her; dennoch kam Kaspar Pröckl nicht davon weg.
Es war dies. Die Anni war vor einem Schaufenster gestanden, einen Wintermantel betrachtend. Der Mantel war teuer und sicher schlechter, als er von außen herschaute. Aber es war kalt, und einen Wintermantel mußte sie haben. Sie stand wohl etwas lange vor dem Schaufenster; denn auf einmal fragte sie ein Unbekannter, was sie denn da so interessiere. Der Unbekannte war höflich, lustig, er gefiel ihr nicht schlecht, und sie schien ihm sehr zu gefallen. Man sprach über Preise. Es stellte sich heraus, daß der Herr ein Ausländer war, im Besitz von Schweizer Franken. Fünfzehn Schweizer Franken genügten für den Mantel, und der Herr war bereit, ihr die fünfzehn Franken zu einem Kurs zu überlassen, den man wahrhaftig nur einem so hübschen Mädel einräumte. Allein wie die Anni Lechner den nett ausschauenden Mantel kaufen wollte, erwiesen sich die Schweizer Franken des galanten Herrn als falsch. Der ungemütliche Ladeninhaber holte die Polizei. Erst nach einigen unangenehmen Stunden auf dem Polizeirevier wurde die Anni von ihrem schimpfenden Vater befreit.
Kaspar Pröckl, wie er die Geschichte erfuhr, schimpfte
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