Erfolg
sei, den Patrioten die Kosten der Vorbereitungen zu ihrer Fahnenweihe zum Teil zu ersetzen; diese Kosten waren, da die Aufmachung in Herrn Pfaundlers bewährten Händen lag, nicht gering.
In einer Versammlung der Führer sprach Rupert Kutzner zur Lage. Er erklärte, die Generalprobe sei glänzend verlaufen. Der Parteitag sei ein ungeheurer Erfolg, er habe Lärm gemacht weit übers Land hinaus. Klenk, nach dieser Rede, schickte dem Kutzner eine starkfarbige französische Ansichtskarte. Es war darauf zu sehen ein sehr kleiner Hund, an einem Laternenpfahl das Bein hebend, vor einer riesigen Lache. Darunter stand französisch: »Zu denken, daß ich es war, der alles das gemacht hat.« Vorsorglich hatte Klenk dem Führer die Inschrift verdeutscht.
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Ein Silberstreif
Dr. Geyer erklärte Johanna in einem Brief, warum er in seiner Reichstagsrede über die bayrischen Dinge den Fall Krüger nicht berührt habe. Jener Essay Tüverlins war unlängst erschienen, und nach diesem scharfen, kaltbrennenden Aufsatz, schrieb Geyer, sei unter den Zeitgenossen keinem zweiten mehr erlaubt, zum Fall Krüger das Wort zu nehmen. In einer Nachschrift teilte Geyer Johanna mit, er habe unlängst den früheren Justizminister Klenk getroffen. Der habe ihm gesagt, er hätte, wäre er länger im Amte geblieben, den Krüger bestimmt aus Odelsberg herausgelassen. »Um der Gerechtigkeit willen«, schloß der mit der Hand geschriebene Zusatz, »muß ich Ihnen mitteilen, daß ich diese Angabe Dr. Klenks für glaubhaft halte. Der Klenk ist zu früh gegangen, der Messerschmidt ist zu früh gegangen. Sie haben auch kein Glück, Johanna Krain.«
Johanna saß lange vor diesem Brief, angestrengt nachdenkend, die drei Furchen über der Nase. Sie las die Rede Geyers. Sie las den Essay Tüverlins, las ihn sich vor mit lauter Stimme. Die Rede Geyers war eine gute Rede. Was über den Fall Krüger zu sagen war, konnte unmöglich schärfer, kälter, erregender gesagt werden als in dem Essay Tüverlins. Wenn diese beiden Männer damit nichts ausrichten konnten, womit sollte sie die Welt überzeugen.
Durch den Fußboden herauf aus dem tiefer gelegenen Stockwerk kam Grammophonmusik: das Stierkämpferlied aus der Revue »Höher geht’s nimmer«. Nein, sie hatte kein Glück. Das war keine Ausflucht ihrer Untauglichkeit; denn auch Jacques mit seinem tauglichen Aufsatz hatte nichts ausgerichtet. Manche sagten, Glück sei eine Eigenschaft. Warum dann wirkte Jacques mit diesem verdammten Stierkämpferlied, aber nicht mit dem Essay?
Der Essay war eine einzige große Herrlichkeit. Wenn sieeinen Ansporn brauchte, wenn sie sich neu ankurbeln mußte, nichts war nötig, als diese kalten, peitschenden Worte zu hören. Sie rief sich zurück, wie er damals am See das »Weltgericht« unterbrochen hatte, wie er geheimnisvoll arbeitete, hingenommen, wie er ihr den Essay vorlas, im Boot. Sie war ja eine Kuh, daß sie nicht gesehen hatte, wieviel mehr er gab als alle andern zusammen.
Sie hatte sich vorgemacht, er habe gegrinst, wie sie ihm von Martins Krankheit erzählte. War sie denn ganz vernagelt? Aber jetzt hatte sie ja erkannt, endlich. Es war Zeit. Sie ging herum, befreit geradezu, da sie erkannt hatte. Sie sehnte sich nach Tüverlin, nach seinen kräftigen, rotüberflaumten Händen, seinem nackten, zerfältelten Clownsgesicht. Sie summte vor sich hin, zwischen Lippen und Zähnen, unhörbar fast. Sie war so verändert, daß die Tante Ametsrieder fragte, was denn los sei. Sie sprach eifrig mit ihr über Jacques Tüverlin und seine Erfolge.
Am nächsten Tage bekam sie ein Telegramm von Tüverlin. Er teilte ihr mit, daß infolge des freundlichen Interesses, das Mr. Potter für die Elektrifizierung Bayerns in Form einer Anleihe bekunde, die bayrische Regierung bereit sei, Krüger zu amnestieren. Er werde binnen längstens drei Monaten frei sein.
Johanna jubelte. Tanzte. Beschimpfte die Tante, die sei nicht erfreut genug. Spielte auf dem Grammophon das Stierkämpferlied.
Wie nobel Jacques Tüverlins Telegramm war. Kein Wort über seine Mitwirkung, nur die erfreuliche Tatsache. Es war Glück, was? Es war ein Zufall, was? Jacques hatte nicht das mindeste dazu getan, nicht? Die ganze Johanna war ein Stolz auf den Mann Tüverlin.
Sie telefonierte mit Kaspar Pröckl. Wartete seine Antwort nicht ab. Sie depeschierte an Martin; trotzdem sie wußte, das Telegramm wird ihm sicher nicht ausgehändigt, bevor nicht eine offizielle Bestätigung des Ministers vorliegt. Sie telefonierte
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