Erfolg
jetzt hatte er das Maul aufzureißen. Wofür wurde er denn bezahlt, wofür war er der Führer? Geladen mit Zorn trat er vor den Kutzner.
Doch der verbiß sich. Die ganze Schmach und Erbitterung wegen seiner Demütigung vor dem Flaucher verwandelte er jetzt in eine hysterische Wut gegen den Klenk. So knieweich er am Promenadeplatz vor dem Feind gewesen war, so hart war er in der Schellingstraße in seinem Hauptquartier. Klenk drohte, er werde auf eigene Faust losschlagen. Kutzner lachte; er wußte, daß die Partei ohne ihn zusammensackte. Klenk erklärte, er werde noch heute seine Tätigkeit für die Partei hinschmeißen. Kutzner zuckte die Achseln. Aber dann redete er auf Klenk ein. Diese Drohung nahm er ernster. Er hatte Respekt vor Klenk, hätte ihn ungern verloren. Er bat, schmeichelte, beschwor. Alle Führer der Partei hatten es kapiert, daß jetzt nicht der rechte Augenblick zum Losschlagen sei; selbst der General Vesemann war einverstanden mit der Verschiebung. Klenk war nicht einverstanden.
Es war nicht leere Drohung, wenn er dem Kutzner von seinem Ausscheiden aus der Partei sprach. Er gab es auf. Mit diesem traurigen Hysteriker war nichts zu machen. Er war entschlossen, sich nach Berchtoldszell zu verziehen. Alle waren also einverstanden mit der Verschiebung. Schön, dann verschiebt, aber ohne Klenk. »Quod Siculis placuit, sola Sperlinga negavit«, sagte er grimmig mit seiner tiefen Stimme. Und daKutzner von Latein und Geschichte wenig wußte, deutschte er ihm aus, wie bei der Sizilianischen Vesper allein die kleine Ortschaft Sperlinga sich ausschloß; seither auf ihrem Stadttor trug sie im Wappen die besagte lateinische Inschrift.
Klenk fuhr noch am gleichen Tag nach Berchtoldszell. Kutzner, wiewohl entschlossen, den Tag der Befreiung hinauszuschieben, blies die Vorbereitungen zum Losschlagen nicht ab. Er war gewillt, am Tag der Fahnenweihe Generalprobe abzuhalten.
An diesem Tag war dann die Stadt in großer Bewegung. Das erste Regiment der Partei in Stärke von etwa zehntausend Mann war alarmiert. Handgranaten-, Maschinengewehrabteilungen der Wahrhaft Deutschen durchzogen die Stadt, Funkentelegrafie war eingerichtet, Flugzeuge standen bereit. Eine Batterie leichter Zwölfzentimeterfeldhaubitzen war aufgestellt mit Zielrichtung auf die Versammlungsplätze der Arbeiter. Überall in den Straßen marschierten Züge der Patrioten. Eine Abteilung von etwa dreitausend Mann stand in Aufnahmestellung im Englischen Garten in der Nähe des Vergnügungsetablissements Tivoli. Das Hauptkontingent der Patrioten marschierte auf Oberwiesenfeld auf. Bis acht Uhr früh waren sie im Besitz der Batterien und Maschinengewehre der Reichswehr, die dort anstandslos an sie abgegeben wurden.
Allein so gut wie die Führer der Partei wußte die bayrische Regierung, daß das alles leeres Schaugepräng war und eitel Wind. Das Kabinett hatte auswärtige Reichswehr anrücken lassen. Diese Truppen sicherten die öffentlichen Gebäude, sperrten Oberwiesenfeld gegen die Stadt zu ab, so daß nur ein Ausweg frei blieb, nach dem Würmkanal. Um acht Uhr früh stellte auch die Münchner Reichswehr die Waffenabgabe an die Patrioten ein. Die Polizei beschlagnahmte ein Artilleriegeschütz, das vom Freikorps Oberland aus Tölz nach München entsandt war. Ziemlich lächerlich stand die kriegerische Maschine im roten Hof des Polizeigebäudes an der Ettstraße, von der Bevölkerung verständnislos bestaunt.
Im Innern der Stadt verübten die Truppen der Wahrhaft Deutschen allerlei Unfug. Eine Abteilung der Freikorps Blücher und Roßbach entriß Arbeitern ihre rote Fahne, zündete sie an, zog unter klingendem Spiel, die brennende Fahne voran, durch mehrere Straßen. Ein anderer Trupp nahm zwei Arbeiter gefangen und führte sie, die Hände auf dem Rücken gefesselt, an der Spitze des Zuges durch die Ludwigstraße. Auch die Trommel eines Arbeitervereins wurde erbeutet und zerschlagen. Weitere Siege erfochten die Patrioten nicht. Beschäftigungslos standen ihre Hauptkontingente herum, bei Tivoli und auf Oberwiesenfeld. Warteten. Riefen zuweilen Heil. Es wurde Mittag, sie kochten ab. Die Sonne sank, sie standen immer noch herum, riefen Heil und warteten. Die Stimmung wurde flau. Nachmittags vier Uhr rückten sie dann ab durch die Straßen, die die Reichswehr ihnen freigab. Es war kein Erfolg. Die Baumblüte war da, aber der Tag der Befreiung war nicht da.
Die Regierung, voll höhnischer Großmut, erklärte sich bereit, da das Verbot sehr spät erfolgt
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