Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
Justizministerium angetragen, aber der unernste Mensch hatte nicht hingehaut auf die dargebotene linke Wange. »Heute früh war Ihr Herr Kutzner bei mir«, sagte er, und seine knorrige Stimme war ganz leise vor Triumph. »Er hat mich um das gleiche ersucht wie Sie, Klenk. Aber es gibt Grenzen, über die ich nicht hinauskann, und wenn mich einer kniefällig darum bittet.«
    »Wer bittet kniefällig?« Auch Klenk dämpfte seine Riesenstimme; sie klang dadurch doppelt gefährlich, so daß dem siegreichen Flaucher trotz allem ein bißchen unheimlich wurde. Allein er dachte an die Buchstaben C + M + B, die er auf die Tür gemalt hatte, er dachte an seine Sendung. »Es gab eine Zeit, Klenk«, sagte er mannhaft, »wo Sie zur Mäßigung rieten.« – »Bleiben wir bei der Sache, Flaucher«, knurrte Klenk. »Hat Sie einer kniefällig gebeten?«
    »Jawohl hat mich einer kniefällig gebeten«, sagte der Flaucher. »Gott hat den Hochfahrenden vor mir in den Staub geschmissen. Ich war väterlich. Aber ich habe ihm seine Fahnenweihe doch nicht genehmigen können.«
    Klenk in seinem Innern fluchte. Dieser Kutzner, dieser Narr, dieser Schisser. Alles machte er einem kaputt. »Aber zu mir werden Sie brüderlich sein«, sagte er und hatte wieder seine gewohnte herrische Jovialität, »und mir werden Sie sie nicht abschlagen.« Der Flaucher fand, die Gefahr sei vorbei. »Ich war brüderlich zu Ihnen«, sagte er sanft. »Vielleicht erinnern Sie sich, daß ich Ihnen einen Sitz neben mir angeboten habe. Ich war Ihnen ein guter Nachbar.«
    »Die Fahnenweihe kann also stattfinden?« fragte kurz, abschließend Klenk.
    »Nein«, sagte noch kürzer Flaucher. Und jetzt, trotzdem er gelassen sitzenbleiben wollte, hielt es ihn nicht mehr. Er stand auf, triumphierend, massig.
    Klenk blieb sitzen. »Und sie wird doch stattfinden«, sagte er. »Ich glaube schwerlich«, sagte Flaucher. »Ich glaube, man wird sich das überlegen. Mit Ihrem Kutzner werden Sie sie nicht steigen lassen können«, sagte er, ruhig wägend, mit einem kleinen Lächeln.
    »Sie müssen einen Trumpf in der Hand haben, Flaucher, daß Sie so frech daherreden«, sagte Klenk. Er wartete gespannt, was der andere antworten wird. Er war entschlossen: wenn der andere ihm jetzt hinausgab, wenn der andere heftig wurde, dann wird er’s darauf ankommen lassen, dann wird er den Absprung wagen, trotz dem Schisser von einem Kutzner. Aber Flaucher gab nicht an. Flaucher blieb sanft, so sanft, daß es dem Klenk alles Blut in den Kopf trieb. Flaucher sagte nämlich bloß: »Vielleicht habe ich einen Trumpf in der Hand.«
    Er schaute den Feind an, und der Feind schaute ihn an, und trotz all seiner Wut erkannte Klenk, daß der Flaucher nicht leer daherredete. Auch er stand jetzt auf. Von seiner Riesenhöhe schaute er hinunter auf den Flaucher und sagte gefährlich leise: »Sie sind größenwahnsinnig. Daß ich Sie im Amt gelassen habe, hat Sie größenwahnsinnig gemacht.«
    Flaucher erwiderte nichts mehr. Dies war sein bester Tag; nichts sollte ihn aus seiner stolzen, frommen Ruhe bringen. Während Klenk ging, durch die verklingenden Schritte des Feindes, hörte Franz Flaucher in seiner Seele die dunkle Frauenstimme, umspült von Glocken und Geigen: »Schlage doch, gewünschte Stunde / Brich doch an, gewünschter Tag.«
    Der Klenk, blaß vor Wut, fuhr zu Kutzner. Er wußte genau, es war die letzte Gelegenheit. Wenn man jetzt nicht losschlug, wenn man sich die Fahnenweihe verpatzen ließ, dann war es ein für allemal aus mit den Wahrhaft Deutschen. Wahrscheinlich hing die Frechheit des Flaucher zusammen mit irgendeiner dunklen Machenschaft an der Ruhr. Wenn er an das käsblasse Gefrieß des Fünften Evangelisten dachte, überkam ihn neu die Wut. Er roch es dem Reindl am Gesicht an, daß die Burschen einen bloß anschmieren wollten. Derfeine Herr von der Industrie wollte die Patrioten benutzen wie seinerzeit der römische Feldherr, der seinen Ochsen Feuer hinterm Arsch anzünden ließ, sie so vorzutreiben und den Feind zu erschrecken. Aber die Patrioten, wenn man sie jetzt losließ, würden vielleicht nicht gerade in der Richtung bleiben, die die Herren von der Ruhr wünschten. Da würde vielleicht mancher Mann manches blaue Wunder erleben. Wer weiß, Herr Nachbar, wer da der Geschlenkte wäre.
    Nur: Voraussetzung blieb, daß man jetzt losschlug. Dieser verfluchte Kutzner. Immer riß der das Maul auf, Tag und Nacht. Doch nun, wo es darauf ankam, machte er das Maul zu und die Hosen voll. Jetzt,

Weitere Kostenlose Bücher