Erfolg
mit dem Rechtsanwalt Löwenmaul, daß der ihrsogleich eine Unterredung mit Krüger beschaffe. Anwalt Löwenmaul wußte noch nichts. Er zeigte eine Riesenfreude, gemischt mit einem bißchen Sauerkeit, weil die Lösung nicht von ihm kam.
In der Nacht suchte Johanna nach Zusammenhängen. Alles, was sie getan hatte, war umsonst und sinnlos gewesen. Es wäre genau ebenso gekommen, wenn sie nichts getan hätte. Warum wird Martin frei? Weil Jacques einem Amerikaner gefallen hat. Das heißt: nicht einmal darum. Er wird frei, weil das Stierkämpferlied dem Amerikaner gefallen hat. Tüverlin hat ihr sehr licht auseinandergesetzt, daß er ohne das Stierkämpferlied kaum je mit Mr. Potter zusammengekommen wäre. Also: Hessreiter, Geyer, Heinrodt, Messerschmidt, Klenk, Pfisterer, Katharina, der Windige, der Kronprätendent Maximilian, Herr Leclerc, alles, was diese getan und nicht getan haben, war vollkommen gleichgültig, war Wurst bis dort hinaus. Auch nicht der brennende Aufsatz Jacques Tüverlins war entscheidend für ihre gute Sache. Entscheidend waren ein paar Takte Musik eines Irgendwer, sie wußte nicht einmal den Namen.
Nein, entscheidend war, daß ein Dollarscheißer der bayrischen Regierung Geld gab.
Aber ohne die paar Takte Musik hätte er wahrscheinlich kein Geld gegeben.
Die Gedanken rannen ihr davon, überpurzelten sich. Das war ihr zu kompliziert; sie muß darüber mit Tüverlin reden.
Daß Jacques kein Glück habe, konnte man jetzt, weiß Gott, nicht mehr behaupten. Es ist auch gerechter, daß ein Mann wie er einen solchen Kampf gegen den Staat durchsetzt und nicht zum Beispiel eine Frau mit einem Alltagsgesicht wie sie. Wenn man es so herum denkt, dann hat es doch wieder Sinn, daß Tüverlin diese dumme Rede geschrieben hat, und auch dieses blöde Stierkämpferlied hat seinen Sinn. Und Glück ist also doch eine Eigenschaft.
Das Gesicht damals, das sie in der Nacht gesehen hat: sich selber wartend auf der kahlen Zufahrtsstraße nach Odelsberg,ist also Wahrheit geworden. Ob sie einen Anzug für Martin mitbringen soll? In drei Monaten wird es Sommer sein, und er kann auch den grauen Anzug tragen, in dem er nach Odelsberg fuhr. Was soll werden, wenn er heraus ist? In München schimpfen sie sicher alle furchtbar auf ihn. Solange es hier so zugeht mit Kutzner und Hakenkreuz und täglichen Überfällen, kann er unmöglich hierbleiben. Sie wird mit ihm verreisen müssen.
Wie weit ist das mit Jacques? Er depeschiert kein Wort von seiner Rückkehr. Es wird nicht gut sein, wenn Martin freikommt und Jacques ist nicht da. Und wie wird das, wenn Jacques zurückkommt, während sie mit Martin verreist ist?
Was hat sie eigentlich davon, wenn Martin jetzt frei wird? Er ist ihr im Weg.
Sie erschrak, wie sie merkte, daß sie diesen Gedanken dachte. Sie erstickte ihn auch gleich wieder. Sie freute sich auf Martin. Sie überlegte eifrig, ein bißchen krampfig, wie sie ihm den Übergang in die Freiheit leicht und gut machen könne.
Allein so schnell er wieder hinunter war, gedacht hatte sie jenen andern Gedanken, ins Bewußtsein gestiegen war er ihr. Auch später leugnete sie sich nicht ab, daß sie ihn gedacht hatte.
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De profundis
Johanna hätte sich nicht mit der Angst abplagen müssen, wie das sein wird, wenn der Martin Krüger freikommt. Denn der Mann Krüger kam nicht frei.
In der Nacht nach dem Tag, an dem Johanna die Nachricht von Tüverlin erhielt, fand auch er keinen Schlaf. Er lag auf seiner Pritsche, hörte den Föhn um das große Haus, in seinen Schächten, Röhren, Kaminen.
Martin Krügers schlimmste Tage waren vorbei. Dem Kaninchenmäuligenwar, kaum hatte Dr. Hartl das Ministerium übernommen, die Beförderung zugesichert worden, auf die er so lange hatte warten müssen. Strahlen der eigenen Zufriedenheit ließ er auch auf seine »Pensionäre« fallen. Martin Krüger wurden einige der früheren Vergünstigungen wieder zugebilligt.
Für die Spaziergänge zwischen den sechs Bäumen hatte er jetzt einen neuen Kameraden: den Uhrmacher Triebschener. Den Uhrmacher Triebschener hatte es nicht sehr getroffen, daß Klenk seinerzeit seine Begnadigung abgeschlagen hatte. Unter dem dichten, fahlen Haar saß ernstvergnügt der kindlich rosige Kopf, einverstanden mit seinem Schicksal. Hugo Triebschener hatte genug erlebt; man konnte ihm nichts mehr anhaben, er begehrte nicht mehr auf. Der Ausbrecherkönig dachte nicht mehr daran, die Zeitungsleser durch eine neue Flucht schmunzeln zu machen. Vielmehr richtete er seine
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