Erfolg
und seine Meinungen, viel Papier und viele Drähte, die um den Erdball gingen, füllten sich mit Berichten, Vermutungen, Ansichten über ihn und sein weiteres Leben, während er erkaltend lag in der dunkeln Zelle von Odelsberg, die Arme hilflos und ein wenig lächerlich nach vorn geschleudert, im Kot des umgestürzten Kübels.
Fünftes Buch
Erfolg
1
Polfahrt
Der Nordländer las, vierzehnjährig, von den Entbehrungen des Polforschers Sir John Franklin und seiner Gefährten, wie Wochen hindurch ihre einzige Nahrung Knochen waren, gefunden in einem verlassenen Indianerlager, bis sie zuletzt ihre eigenen Lederschuhe verzehrten. Ehrgeiz flackerte hoch in dem Lesenden, Leiden gleicher Art erfolgreich zu überwinden. Er war ein verschlossener Knabe. Ohne irgendwem von seinem Vorhaben zu erzählen, begann er ein fanatisches Training, zwang seinen Muskeln, seinen Nerven ihr Äußerstes ab. Es gab in der Nähe seiner Stadt eine Hochebene, noch von keinem Lebenden während des Winters durchwandert. Er, einundzwanzigjährig, überquerte sie im Januar, durch letzte Zähigkeit sich rettend vor dem Verhungern, festfrierend eines Nachts in einem Schneeloch, das um den erschöpft Schlafenden sich in einen Eisblock verwandelte.
Zäh, methodisch, erwirbt er alle Kenntnisse, die einem Polforscher nötig werden können, die Wissenschaft des Meeres und der Luft. Die staatlichen Prüfungen überstanden, wählt er sich die schwierigsten Meere, um die großen und kleinen Künste der Navigation und des Eiswanderns praktisch zu erlernen. In Monaten des Hungers, des Frostes, des Skorbuts wird er ein harter, schweigsamer Mann, der Kenntnisse und Erfahrungen mißtrauisch in sein Hirn verschließt wie in ein Banktresor, ohne Freude an den Menschen, keinem glaubend, nur sich selbst.
Skrupellos in Gelddingen, errafft er sich die Mittel für eine erste selbständige Expedition. Quert das Nordmeer auf bisher nie vollendeter Strecke. Erzwingt mit den Mühen dreier Jahre die nordwestliche Durchfahrt, ein Unternehmen, andem vor ihm jeder gescheitert ist. Alle Welt rühmt das Vollbrachte. Er selber am meisten. Ein unermüdlicher Verkünder seiner Taten, wägt und rechnet er genau, um wieviel seine Erfolge größer sind als die der Männer vor ihm, um ihn.
Gestützt auf seinen Erfolg, bricht er auf zum Nordpol. Ein anderer kommt ihm zuvor. Er, kurz entschlossen, dreht um. Sucht den Südpol. Auch auf diesem Weg ist schon ein anderer. Es beginnt ein schauerlicher Wettlauf. Kalt rechnend, setzt der Nordländer seine gesammelten, gut katalogisierten Erfahrungen ein. Wo in den Vorbereitungen des Konkurrenten steckt ein Fehler, den er vermeiden kann? Er findet einen Fehler, den Fehler. Der andere hat Pferde mitgenommen: er baut auf die Zähigkeit und das Fleisch seiner Hunde, die Transportmittel und Nahrung zugleich sind. Der andere, mit seinen Ponys, kommt um: er kehrt siegreich zurück. Zollt dem Nebenbuhler, nun der gescheitert und tot ist, große Bewunderung. Vergißt aber nicht, der Welt genau zu erklären, daß es der Fehler mit den Ponys war, durch den der Tote umkam. Wenn er selber siegte, lag das an dem Einfall mit den Hunden. Es war Verdienst, nicht Glück.
Bald darauf hat er die große Idee seines Lebens, die Bezwingung des Pols durch ein neues, besseres Mittel: das Flugzeug. Die Ausführung dieser Idee, das Bestreben, sich für seine nächste Polfahrt ein Luftschiff zu sichern, bringt ihn mit einem Südländer zusammen. Der Nordländer ist durch seinen Erfolg noch härter, hochfahrender geworden, mürrisch, wüst launisch. Sein Gesicht ist zerrissen wie ein uralter Ölbaum, sein Mund krümmt sich. Liebenswert ist er nicht, der Mann, das kann die eigene Mutter nicht behaupten. Wenige sind, die er nicht für verächtlich hält, manche haßt er mit eisiger Wildheit, es gibt keinen, den er liebt, von allen verlangt er bedingungslosen Glauben an seine Autorität. Der Südländer, mit dem er jetzt zusammenarbeitet, ist sein genaues Widerspiel: liebenswert, geschmeidig, leichtfertig, knabenhaft optimistisch, unsinnig stolz im Erfolg, schwer verzweifelt im Unglück.
Der bewegliche, scharmante Südländer und der starre, mürrische Nordländer beriechen einander. Beide finden sie, der andere rieche nicht gut. Beide sind sie randvoll von rasendem Ehrgeiz, herrisch, skrupellos. Schon während der Verhandlungen gibt es Zusammenstöße; aber es ist nur ein Weg zum Pol, zum Ruhm, der führt über den Nordländer. Und es ist nur ein Luftschiff zum Pol,
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