Erfolg
auf dem herrscht sein Erbauer, der Südländer. Der Südländer hat das Luftschiff konstruiert, er ist ein guter Pilot. Der Nordländer hat die nordwestliche Durchfahrt bezwungen, kennt Arktis und Antarktis. Es ist ein Wagnis, wenn ein Mann, der niemals auf Schneeschuhen stand, sich einem andern anvertraut für eine Fahrt ins endlose Eis. Es ist ein Wagnis, wenn ein Mann, der nie geflogen hat, sich der Führung eines Mannes anvertraut für den Flug in eine unbekannte Wüstenei, wo der kleinste Fehler den Tod bedeutet. Die gleiche Notwendigkeit, das gleiche Ziel knüpft die Ungleichen zusammen. Keiner ist gewillt, den Erfolg zu teilen. Jeder hofft, auf dem Weg zum Erfolg das Teil des andern wegzuschnappen.
Und siehe, das Luftschiff erreicht sein Ziel. Es überquert den Pol.
Wes ist der Erfolg?
Der Nordländer hat die Idee der Expedition gehabt, hat ihren Weg bestimmt, sie vorbereitet. Er hat hinter sich dreißig Jahre härtester, methodischer Polforschung. Der andere hat vor einem halben Jahr vom Pol nichts gewußt, als daß es dort kalt ist. Was, und jetzt will dieser subalterne Handlanger einen Teil haben der Ehre, gar noch den größten Teil? Der Nordländer knurrt, nennt den andern einen unzuverlässigen, weibisch nervösen Gecken voll kindischer Großmannssucht. Die Welt hört die Argumente des Nordländers, läßt sie gelten, zollt ihm widerwillige Bewunderung. Aber dabei läßt sie es bewenden. Sie fördert ihn nicht, gibt ihm nicht die Möglichkeit zu neuen Taten. Freilich erschwert er selber diese Möglichkeit. Er ist pedantisch gewissenhaft. Prinzip ist ihm, jede Situation vorzubedenken, die irgend kommen kann, denZufall auszuschalten. Das ist nicht billig, das ist sehr teuer. Wie immer, man gibt dem hochfahrenden, morosen Mann scheuen Ruhm, aber nicht die Mittel, eine neue Expedition auf die Beine zu stellen.
Der Südländer hat mehr Glück. Er lächelt über den Nordländer, den finstern, unverträglichen, pathologisch selbstsüchtigen Narren. Der will den Ruhm des Unternehmens für sich buchen? Mein Gott, da bleibt nur ein Lächeln. Den Pol zu überfliegen, das sieht jedes Kind, ist fraglos die Leistung des Piloten, und der Nordländer weiß von einem Flugmotor nichts, als daß er surrt. Man erlaubt dem Südländer zu lächeln. Er hat die Sympathie der ganzen Welt, er hat so etwas Strahlendes.
Er versteht es, in jeder Situation zu strahlen. Er hat die Pelze der Nordländer wegen ihres Übergewichts von der Fahrt ausgeschlossen. Die eigene Uniform aber, er ist Offizier seines Landes, hat er heimlich mitgeführt. Am Rande der Arktis, wie die Expedition nüchtern zweckmäßig gekleidet vom Schiffe steigt, das sie in die Zivilisation zurückbringt, erscheint er plötzlich in seiner glänzenden Uniform. Das kleine Mädchen, inmitten der wartenden Menge, überreicht seinen Blumenstrauß nicht dem verdrießlichen, proletisch kahl gekleideten Nordländer, sondern dem schimmernden Offizier.
Nicht nur das Herz des Kindes, die Herzen seines ganzen leicht entflammten Landes fliegen ihm zu. Er macht rasche Karriere, wird in jungen Jahren General. Ihm, da er einen neuen Flug über den Pol plant, baut sein Land sogleich ein Luftschiff nach seinen Wünschen. 25 Meter Höhe, 115 Meter Länge, 19 000 Kubikmeter Gasraum, 4 Gondeln. Die Tanks fassen Betriebsstoff für 75 Stunden. 720 Pferdekräfte stark sind die Motoren. Im übrigen nimmt es der Südländer nicht sehr genau mit seinen Vorbereitungen. Er studiert nicht lange die Wissenschaft von Schnee, Eis und Winter. Hat er nicht das vollkommenste Vehikel, mit dem jemals einer nach dem Pol startete? Erlesene Mannschaft, die besten Apparate? Er verläßt sich auf sein Glück.
Ehrenkompanien, Glocken, Musik. Sein Schiff fliegt. Erreicht in drei Etappen den Norden. Startet zur letzten, entscheidenden Strecke. Durch Funkspruch erzählt er der aufhorchenden Welt, jetzt sei er auf dem Weg zum Pol. Jetzt über Grönland, jenseits Grönlands. In zwanzig Minuten, verkündet sein Funkspruch, wird er am Pol sein.
Er ist am Pol. Zwei Stunden, triumphgeschwellt, kreist er um die weiße, vielbegehrte Ödnis. Das Grammophon spielt die Hymne seines Landes. Eine Fahne seines Landes wird, ein großes, vom Papst geweihtes Kreuz herabgelassen. Seinem König, dem Papst, dem Diktator seines Landes durch Funkspruch meldet er, er habe mit Gottes Hilfe den Pol erreicht. Es lebe sein Land.
An einer gut bestellten Empfangsstation seiner Stadt sitzt der Nordländer, die Augen noch starrer als
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