Erfolg
es für an der Zeit, vorzurücken, berichtete ihm ungeniert von ihren Absichten, gesellschaftliche Beziehungen anzuknüpfen und auszunützen. Herr Hessreiter, sogleich in Schwung, ruderte heftig mit den Armen: gesellschaftliche Beziehungen, großartig, dafür sei er der rechte Mann. Er freue sich, daß sie zu ihm gekommen sei. Es treffe sich gut, daß er sie gleich Frau von Radolny vorstellen könne. Jetzt sei der Fall Krüger auf einem Gebiet, wo man mit ganzem Herzen und Verstand dabei sein könne, sei gewissermaßen aus dem politisch Schachmäßigen ins Menschliche gerückt.
Noch während er sich darüber erging, kam mit ihrer Gesellschaft Frau von Radolny. Üppig, gelassen, sehr sicher füllte sie den Raum; bestimmt war sie überall sogleich selbstverständlicher Mittelpunkt. Die Art, wie sie Johanna beschaute, kühl, ungeniert, prüfend, schien dem großen Mädchen nicht uneben. Katharina ihrerseits sah zufrieden die Wirkung, die sie auf Johanna machte, fand Gefallen an ihr,setzte sich neben sie. Sie wußte, wie schwer es war, sich in dieser großen und gefährlichen Welt zu behaupten. Sie war von unten heraufgekommen, sie war jetzt angelangt und sicher, aber es war nicht leicht gewesen, und noch immer sah sie voll Sympathie zu, sich der eigenen Bestätigung freuend, wenn eine tapfere Frau sich nicht unterkriegen ließ. Sie war natürlich innig und durchaus einverstanden mit den Methoden der herrschenden Klasse. Allein da sie angelangt war, übte sie in dem an sie herantretenden Einzelfall mit der gleichen Selbstverständlichkeit Toleranz, mit der sie intolerant war im allgemeinen. Interessiert, sachverständig hörte sie die Geschichte von Johannas nicht einfacher Kindheit, dem Krach mit ihrer Mutter, ihrer Berufstätigkeit, ihrer Verbindung mit dem Mann Krüger. Die beiden Frauen, die breitgesichtige mit den entschiedenen, grauen Augen und die kupferhaarige, üppige mit dem satten, wissenden Gesicht, sahen, so vereint, ihre langsamen, bayrisch breiten Sätze tauschend, dermaßen sicher aus, daß der optimistische Hessreiter an dem endlichen Erfolg Johannas nicht mehr zweifelte.
Allmählich, doch ohne von den Worten Frau von Radolnys eines zu verlieren, fand sich Johanna zurecht auch in der anderen Gesellschaft. Der Mann mit dem gutmütigen, hartfaltigen Gesicht, der aussah wie ein Bauer im Smoking, das also war der Maler Greiderer. Das zerhackte Mopsgesicht des Dr. Matthäi kannte sie aus den illustrierten Zeitungen. Der rosige, bezwickerte Herr mit dem melierten Vollbart, das war natürlich der Dr. Pfisterer, der Schriftsteller, und der Alte, der auf ihn einsprach, das war der Geheimrat Kahlenegger. Obwohl manchmal zu andern Schlüssen geneigt, hörte ihm Pfisterer mit Aufmerksamkeit, fast mit Ehrfurcht zu. Es war aufregend, aufwühlend, wie der Geheimrat alle Ergebnisse der Naturwissenschaft immer wieder und ausschließlich auf die Stadt München bezog, mit fixer Idee sich weigernd, Launen ihrer Fürsten, Eigenwilligkeiten des Verkehrs, der Wirtschaft als bestimmende Faktoren anzuerkennen. Sieben biologische Grundsätze hatte er konstruiert, sieben Grundtypenfestgestellt, aus deren Eigenschaften er die Geschichte der Stadt München herleitete. Immer wieder schaute Johanna hinüber zu dem knochigen Mann mit der mächtigen, höckerigen Nase, der angestrengt aus der äußersten Tiefe seiner Kehle druckreife Sätze herausholte.
Etwas unmotiviert brach er ab. Es war plötzlich Stille im Raum. Herr Hessreiter, in das Schweigen hinein, sagte, jetzt aber wolle er seine Überraschung vorweisen, führte die erwartungsvolle Gesellschaft in das kleine Bilderkabinett, drehte das Licht an. Es zeigte sich, zwischen wenigen anderen Bildern, an einer ruhigen, grauen Wand das Aktporträt des Mädchens Anna Elisabeth Haider. Mit verlorenem und gleichwohl gespanntem Ausdruck blickte das tote Mädchen in den klug und schön belichteten Raum nach dem Gemälde, das ihr gegenüber hing, einem dumpfig und kraftvoll gemachten oberbayrischen Bauernhaus. Der nicht eben schlanke Hals war auf hilflose, rührende Art gereckt, Brüste und Schenkel schwammen in milchigzarter Luft.
Zwiespältig angerührt, stand Johanna vor dem Porträt. Da hing nun das Bild, Ursache so vieler Verwicklungen, ihr immer zuwider. Still, naiv, widerwärtig hing es da, Herr Hessreiter stand daneben und wies mit gutmütigem, triumphierendem Lächeln darauf hin. Was wollte der merkwürdige Mann? Warum hatte er das Bild gekauft? Warum zeigte er es hier? Sie sah
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