Erfolg
ungeschickt sich abarbeitenden Dr. Matthäi zu. Der glitt fort auf ein Gebiet, wo er sich gewandter fühlte, attackierte plötzlich den Pfisterer, rückte dem rosenroten Optimismus des populären Dichters wirksam, mit boshafter Schlagkraft, auf den Leib. Bedrängte ihn an seiner wundesten Stelle. Denn dies begriff der gutmütige Mann, der breite Erfolge hatte, durchaus nicht, es kratzte ihn, es stach ihn in der Seele, daß einige Literaten,deren Begabung er von Herzen anerkannte, seine sonnige Weltanschauung nicht gelten lassen wollten. Warum wollte man es ihm nicht gönnen, seine lebensbejahenden Geschichten unters Volk zu tragen, Freude zu bringen vom Palast des Königs bis zur Hütte des Köhlers? Er bemühte sich, seine Gegner zu verstehen, sich einzufühlen in sie. Aber hier kam man mit Ehrlichkeit nicht weiter. Die Art etwa, wie Dr. Matthäi ihn anpöbelte, war einfache Niedertracht. Er lief rot an. Stämmig, brüllend, standen sich die beiden Schriftsteller gegenüber. Die Insarowa lächelte interessiert, ein bißchen abschätzig, leckte sich mit einer kleinen, lausbübischen Zungenbewegung die Mundwinkel. Aber Johanna in ihrer ruhigen Art sprang Pfisterer bei, er hatte sich bald wieder in Zügeln. Seine Entrüstung kehrte sich in Trauer; kräftig den rotblondlockigen Kopf schüttelnd, den angelaufenen Kneifer putzend, beklagte er den bösen, zerstörerischen Trieb einzelner Menschen.
Während Matthäi sich wieder der hurtigen Russin zuwandte, stark rauchend, sie aus bösen, kleinen Augen behaglich anglotzend, setzte sich Pfisterer zu Johanna Krain. Dieses feste, gütige, bayrische Mädchen war so recht wie die Menschen seiner Bücher, lebfrisch, das Herz auf dem richtigen Fleck. Auch Johanna fand Gefallen an ihm. Sicher war das reale Leben anders als in seinen Büchern, ohne Goldschnitt. Aber sie verstand, daß viele Menschen ihre freien Stunden gern mit solchen Büchern verbrachten, daß sie die Berge so lackfarben, die rauhen Älpler so bieder treuherzig sahen wie Pfisterer; sie selber hatte Romane Pfisterers mit Vergnügen gelesen. Daß er Einfluß hatte, war gewiß, er war an allen deutschen Höfen wohlgelitten, bestimmt konnte er ihr helfen. Sie sah ihn also gerne neben sich. Begann von dem Fall Krüger zu sprechen. Setzte ihm auseinander, sacht, überall dämpfend, daß hier Willkür war. Er schüttelte verständnislos den rotblonden, großen Kopf. Er war ein Anhänger des Bestehenden, bedauerte aufs tiefste die Revolution. Man war Gott sei Dank wieder auf dem rechten Weg, seine Bayernhatten eigentlich bereits zurückgefunden. Etwas guten Willen, und alles löste sich auf einfache Art. Was sie ihm da erzählte von einem betrüblichen Justizirrtum, das könne er, sie möge ihm nicht böse sein, nicht ohne weiteres glauben. Er war freundlich, teilnehmend, schüttelte nachdenklich den bebarteten, bezwickerten Kopf. Man dürfe nicht immer gleich den andern für einen Schurken halten. Mißverständnisse. Irrtümer. Er werde sich der Sache annehmen. Werde vor allem einmal mit dem Kronprinzen Maximilian den Fall durchsprechen, mit diesem prächtigen, großherzigen Menschen.
Herr Pfaundler erzählte, der Kronprinz werde im Winter einige Zeit nach Garmisch-Partenkirchen kommen. Alle Welt komme nach Garmisch; die Propaganda, die er für diesen Kurort gemacht habe, trage Früchte. Das Etablissement »Die Puderdose«, das er dort eröffnen werde, da fehle sich nichts; da hätten die Herren Künstler, der Herr Greiderer und der Künstler der Serie »Stierkampf«, sich selber übertroffen. Eleganz des achtzehnten Jahrhunderts und dabei gemütlich. Eine zünftige Sache, international, mondän. Die Kacheln aus den keramischen Werken des Herrn Hessreiter: einfach großartig. Auch die Insarowa werde dort zum erstenmal in Deutschland auftreten. Herr Pfaundler sprach schleppend, nicht laut, aber in den Mausaugen in seinem wulstigen Schädel hatte sich ein kleines, fanatisches Feuerchen entzündet, das seinen Worten viel Suggestionskraft gab. Er machte, als er ihren Namen nannte, eine kleine Verneigung gegen die Tänzerin, lässig, besitzerhaft frech, die bewirkte, daß sie plötzlich gar nicht mehr lebendig spitzbübisch, sondern schlaff und hohlwangig aussah. Ja, schloß Herr Pfaundler, Garmisch werde im Winter ein europäisches Zentrum sein.
Johanna überlegte, auch für ihre Zwecke wäre es wahrscheinlich von Vorteil, nach Garmisch zu gehen. Ein mondäner Winterkurort. Bisher war ihr so etwas sehr Wurst gewesen, eher
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