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Erfolg

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Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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fragend von dem Bild zu Herrn Hessreiter, von Herrn Hessreiter zu dem Bild, den ganzen Kopf mitdrehend. Sie überlegte rasch und vielfältig, doch ohne zu einem Schluß zu kommen. Sie stand lange vor dem Bild, stumm. Auch die anderen waren betreten. Frau von Radolny blickte mit hohen Augenbrauen auf die vielberedete Leinwand. Sie war empfänglich für Dinge der Kunst, durchaus nicht geneigt, sich der Meinung der Zeitungen ohne weiteres zu fügen. Aber es ging etwas Anrüchiges, Verbotenes von dem Bild aus, das war nicht abzustreiten, dafür hatte sie ein unbeirrbares Empfinden. Das Bild war vielleicht trotzdem oder gerade deshalb ein ansehnliches Stück Malerei. Aber mußte ein vielbeachteterMann der guten Münchner Gesellschaft wie Paul gerade in diesem Zeitpunkt dieses Bild kaufen? Das mußte Ärgernis erregen. Es wirkte nach Justament und Jetzt gerade ! Eine Weltanschauung, die sie als Bayerin verstand, die ihr aber nicht sympathisch war.
    Der einzige Greiderer sprach. Er äußerte sich laut, mit derbem, ausdrücklichem Wohlwollen. Der alte Kahlenegger saß teilnahmslos in einem Sessel, dies schlug nicht in sein Fach, er war plötzlich ausgelöscht, sah uralt aus, fossil. Herrn Pfisterers etwas verständnislose, neutrale Zustimmung zu dem Bild verdichtete sich nicht zu Worten. Schließlich schwieg auch der Maler Greiderer. Fast eine Minute war es ganz still, man hörte den starken Atem der beiden Schriftsteller. Alle schielten ein wenig gekitzelt nach Johanna Krain, mit einem undeutlichen Gefühl, dieses Mädchen vor diesem Bild in diesem Kabinett, da sei irgend etwas zweideutig. Aus dem fleischigen Antlitz des Herrn Hessreiter verschwand langsam der gutmütige Stolz, guten Freunden eine schöne Sache vorzuführen; seine Wangen wurden schlaffer, leicht hilflos.
    Auf einmal in die Stille hinein hörte man die böse, knurrige Stimme des Dr. Matthäi. Ein Saustall sei es, äußerte er. Nicht einmal die Gegner, meinte er, wagten es, den Bayern ihre eminente bildnerische Begabung abzustreiten. Das bayrische Barock, das bayrische Rokoko. Die Gotik eines Jörg Ganghofer, eines Mäleskirchner. Die Münchner Erzgießerschule um den Weilheimer Krumper herum. Die Brüder Asam. Und auch – jawohl! – die Ludovicianische Klassik. Das alles sei gewachsen, anständig, bodenständig. Und dahinauf pflanze man jetzt einen solchen Kohl und Mist. Ein Saustall.
    Alle spürten, daß diese klobigen Sätze dem Dr. Matthäi geradewegs aus dem Gemüt kamen. Diese bayrischen Menschen spürten aus ihnen die Liebe des Mannes, von dem sie nur gallige Urteile zu hören gewohnt waren, zu seinem, ihrem Lande. Der Schriftsteller Matthäi schaute nach seinem Ausbruch ein wenig geniert, böse und starrsinnig vor sich hin. Der Schriftsteller Pfisterer schüttelte begütigend seinenbärtigen Kopf und meinte: »Na, na.« Herr Hessreiter strich peinvoll verlegen an seinem gepflegten Schläfenbart; er dachte an die Produkte seiner keramischen Fabrik, an die langbärtigen Gnomen und gigantischen Fliegenpilze, die man dort mit Vorliebe herstellte. Er lächelte krampfig, tat, als nähme er die starken Worte des Dr. Matthäi für einen guten Witz.
    Allen war es willkommen, wie jetzt breit Herr Pfaundler eintrat. Der große Vergnügungsindustrielle war von Frau von Radolny eingeladen, und er brachte mit eine russische Dame, aus der er seit Monaten viel Wesens machte. Er stellte sie vor: Olga Insarowa und tat, als bezeichne dieser Name einen Menschen, bekannt über den Planeten hin. Es war aber die Dame ein schmales, schmächtiges Mädchen mit beweglichem Gesicht, anmutigen, ein bißchen spöttischen Bewegungen, schiefen, gleitenden Augen. Der Dr. Matthäi wandte sich ihr sogleich zu mit plumper Kavaliergeste, erklärte, er hoffe Hessreiter nicht zu nahezutreten, wenn ihm eine lebendige Tänzerin lieber sei als eine tote Malerin, und alle kehrten, befreit, in die Bibliothek zurück.
    Johanna Krain sah erstaunt, wie hemmungslos gefräßig sich Dr. Matthäi der Russin bemächtigte. Der schwere Mann mit dem klobigen, von Schmissen durchzogenen Schädel hatte harten Stand gegen den hurtigen Witz der kleinen Person, die ihn geschickt abführte, viel lachte, wobei sie feuchte, kleine Zähne bloßlegte und sehr hübsch aussah. Sie sprach dreimal schlagender als er, dreimal gescheiter. Machte sich mitleidlos lustig über ihn. »Ja, jetzt ist Matthäi am letzten«, konstatierte gutmütig Pfisterer. Frau von Radolny und Johanna sprachen nicht mehr, alle hörten dem

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