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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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faßlichen Ideen des Rupert Kutzner sagten ihm zu. Zudem glänzte Rupert Kutzner das Ansehen auf, das der Chauffeur Ratzenberger als Hauptzeuge in einem großen, politisch gefärbten Prozeß genoß. Er pflegte ihn als Märtyrer zu bezeichnen, da er sich durch seine Aussage den frechen Verdächtigungen der Gegner ausgesetzt habe.
    Der Stammtisch »Da fehlt sich nichts« beteiligte sich also eifrig an den Debatten, die die Beredsamkeit des Rupert Kutzner entfesselte. Die Nüchternheit der marxistischen Ideen, soweit sie überhaupt davon gehört hatten, stieß diese Kleinbürger ab, das Programm Rupert Kutzners schmeichelte ihrem Bedürfnis nach Romantik. Überall sahen sie heimliche Bünde und Komplotte; wenn der Tarif der Autodroschken herabgesetzt wurde, erblickten sie in dieser Maßnahme die Hand der Freimaurer, der Juden, der Jesuiten.
    So war es nicht verwunderlich, daß am Stammtisch »Da fehlt sich nichts« romantische Fragen lebhaft diskutiert wurden.Gab es detaillierte Anweisungen, durch deren Befolgung sich das Judentum der Herrschaft über die Welt bemächtigte? Lebte der König Ludwig der Zweite von Bayern noch, von dem herrschsüchtige Verwandte behaupteten, er habe sich geisteskrank in den Starnberger See gestürzt, was aber keineswegs erwiesen war? Hatten zusammen mit dem Papst die Juden den Weltkrieg angezettelt?
    Diese Fragen wurden breit und immer wieder erörtert. Mannigfache Einzelheiten wurden vorgebracht, genaue Ziffern über das Vermögen der führenden jüdischen Hochfinanz. Die Basis dieser Ziffern waren nicht Erkenntnisse, wissenschaftliche Schlüsse, Einsichtnahme in die Bücher, die Steuerlisten oder dergleichen, sondern Gefühle. In der Seele des Chauffeurs Ratzenberger beispielsweise hatte sich die Idee jüdischer Finanzherrlichkeit grimmig zwickend festgebissen, als er einmal in einer illustrierten Zeitung die Abbildung des Grabdenkmals eines gewissen Rothschild gesehen hatte, eines bekannten jüdischen Finanzmannes. Das sehr fürstliche Grabmonument hatte ihm von dem luxuriösen, rauschenden Leben dieser Leute eine neiderfüllte Vision erweckt.
    Denn mit Grabdenkmälern hatte sich Ratzenberger aus bestimmten persönlichen Gründen intensiv befaßt. Seine älteste Schwester nämlich, die als altes Mädchen gestorben war, hatte den größten Teil ihrer Erbschaft zur Errichtung eines stattlichen kupfernen Engels für ihr Grab bestimmt. Der verzweigten Familie Ratzenberger war es später nicht gut gegangen. Die noch lebenden fünf Geschwister Ratzenberger, ansässig mit einer Ausnahme in den Vorstädten Giesing und Haidhausen, hungerten während des Kriegs und der beginnenden Geldaufschwemmung erbärmlich; die Familie des einen Bruders, Ludwig Ratzenberger, wohnte ihrer sieben, Männer, Weiber, Kinder durcheinander, in einem Raum. Zwist war entstanden unter den Familien der Ratzenberger; man belauerte sich gegenseitig wegen des kupfernen Engels, dessen Erlös allen geholfen hätte. Denn es war ein mittelgroßer Engel, eigentlichein sehr großer, er senkte trauernd einen umfangreichen Palmzweig, auch trug er ein weites, faltiges, viel Kupfer enthaltendes Gewand. Von Rechts wegen hätte er, als der Staat Not an Kupfer litt, Kanone werden sollen; aber sei es durch Zufall, sei es, wie die Geschwister annahmen, durch gewisse Beziehungen Franz Xavers zur Polizei, der Engel war der großen Metallablieferung entgangen. Die Besitzrechte an ihm waren fragwürdig. Nicht fragwürdig war, daß jemand, man hatte den jungen Ludwig, den Sohn des Franz Xaver in Verdacht, den Versuch unternommen hatte, das Grabdenkmal fortzuschaffen, doch war er an der Schwere des Engels gescheitert. Lange hatten sich die Familien gegenseitig belauert, es war eine Art ständiger Wachdienst auf dem Friedhof gewesen. Ein materiell Denkender hatte den Vorschlag gemacht, den Engel für gemeinsame Rechnung zu verkaufen. Aber da das Mädchen, über deren Resten der Engel trauerte, eine wackere, seelengute Haut gewesen war, und vor allem da man sich über den Teilungsmodus nicht einigen konnte, unterblieb eine solche Regelung. Infolge dieser Streitigkeiten, an denen er sich heftig beteiligte und im Verlauf deren er einem seiner Brüder die im Prozeß Krüger erwähnte Kopfverletzung beigebracht hatte, interessierte sich Franz Xaver Ratzenberger lebhaft für Totendenkmäler, und das Mausoleum für jenen Rothschild hatte sich als ungeheures Symbol beneideter Machtfülle in seiner Seele festgesetzt.
    Nun gab es in der Stadt München

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