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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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dem Reich die Kosten auf. Sie frönenihrem Hang zu komödiantischen Äußerlichkeiten in Verhöhnung ausdrücklicher Verfassungsbestimmungen, indem sie einen Haufen alberner Titel über ihre Anhänger ausschütten. Sie frönen ihrer kindlich starrsinnigen Lust an Willkür und partikularistischer Machtentfaltung, indem sie die Reichsamnestien nicht durchführen und sich autonome »Volksgerichte« gegen alle der Regierung Mißliebigen schaffen. Sie treiben separate Außenpolitik, schließen Sonderverträge mit Rom, zwingen das Reich zuzustimmen. Sie errichten ihr bestes Werk, ihr Museum der Technik, mit Reichsmitteln, aber sie betonen, es sei eine bayrische Schöpfung, und schmücken den Bau an seinen Festtagen mit ihren bayrischen Fahnen, dem Reich seine Fahne verweigernd. Ihr Unitarismus besteht wirtschaftlich darin, daß sie sich vom Reich sehr viel höhere Zuschüsse zahlen lassen, als ihre Quote zu den Ausgaben des Reichs beträgt. Nicht ganz ohne Grund also fühlt sich der Mann, der diese Dinge erwirkt, der Maulwurf in Niederbayern, als Diktator seines Landes nicht nur, sondern des Reichs.
    Dies legte der Anwalt Dr. Geyer Johanna auseinander, in hellen, großen Worten, entfaltete es, unbeirrt durch Nebendinge. Er saß gesammelt da, seine dickbebrillten Augen schauten konzentriert vor sich, seine dünnhäutigen Hände lagen still. Johanna hatte nicht viel Interesse an Fragen des Staats, aber sie wurde mitgerissen von der Angespanntheit des Anwalts, der seinen Stoff vor sie hinbreitete, sachlich und zugleich beteiligt, brennend in kaltem Feuer. Johanna fragte sich, warum der Mann, der es vermochte, sie, die Bayrin, ihren Staat mit seinen Augen sehen zu machen, seine große Kraft verströmte in die Nichtigkeiten des Tages statt in seine Wissenschaft und ihre Verkündigung. Sie sah den Anwalt Geyer und den Minister Heinrodt, beide tauglich, die Dinge, wie sie sind, zu sehen, nicht tauglich beide, aus ihren Gesichtern Taten zu machen.
    Herr Geyer war verstummt. Er löffelte in seinem Tee, schwitzte etwas, putzte die Brille, saß unglücklich da, manchmal einen Beliebigen mit seinen zupackenden Augen musternd.Die Eintänzer schoben, zerrten, schmissen in wilden, unbeteiligten Gebärden korrekt ihre Damen durch den Saal. Jemand kam durch die Halle an ihren Tisch heran. Ein junger Mensch, gut angezogen, sehr weiße Zähne in dem hagern, spöttischen, windigen Gesicht. Ein leiser Geruch von Heu und Leder verbreitete sich, sowie er näher kam, einmaliger Geruch eines sehr männlichen Parfüms. Dr. Geyer, den jungen Menschen bemerkend, zuckte zusammen, zwinkerte stark, flatterte mit den Händen. Der junge Mensch nickte ein freches, vertrauliches, leicht spöttisches Kopfnicken zu dem Anwalt hin, richtete seine hellen, dreisten Augen dringlich auf Johanna, verneigte sich vor ihr. Der Anwalt bezwang sich, hielt sich ruhig, schaute den Jungen nicht an, schaute nur Johanna an. Und sie, wirklich sie, Johanna Krain, für die er soviel Kunst und Verstand aufgeboten hatte, stand auf, mit dem Fremden zu tanzen, mit einem wildfremden, nach Heu und Leder duftenden, windigen, zweideutig aussehenden Herrn. Denn daß er Erich Bornhaak war, sein Sohn, konnte sie nicht wissen.
    Erst als sie schon vom Tisch fortgegangen war, um sich von dem Jungen durch die Halle schieben, schmeißen, zerren zu lassen, brach die mühsam verhütete Panik in Dr. Geyer los. Was tut der Junge hier in Garmisch? War er Skitrainer? Schob er irgendwelche Inflationsgeschäfte? Gab er sich ab mit der Ausbeutung erlebnislüsterner Damen mit dicken Scheckbüchern? Er hatte ihn sehr lange nicht gesehen. Der Junge pflegte aufzutauchen, unregelmäßig, wieder zu verschwinden. Wenn der Tanz zu Ende war, wird er bestimmt an den Tisch zurückkommen. Dann könnte er ihn fragen. Oder doch dies, jenes, Allgemeines mit ihm sprechen. Er hat nur eine stumme Verneigung gemacht, Dr. Geyer hat seine Stimme nicht gehört. Wenn er an den Tisch zurückkommt, wird er vermutlich seine roten Lippen aufmachen, und Dr. Geyer wird seine Stimme hören. Sonst wieder kann es Jahre dauern.
    Unsinn. Erledigt. Abgetan. Er wird noch mit dem Abendzug zurück nach München fahren. Aber soll er nicht JohannaVorsicht anraten vor ihrem Tänzer? Unsinn. Ein Vorwand. Ist er der Vormund dieses resoluten Mädchens? Die weiß besser Bescheid als er selber. Er wartete Johannas Rückkehr nicht ab. Stand auf, mühsam, man sah, daß sein steifes Bein ihm noch viel Beschwer machte. Er wird mit dem Abendzug nach

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