Erfolg
Stunde seine Wohnung verlassen hatte, war fort, endgültig futsch, seitdem der Klenk in der Stube war. Scheinbar friedlich kümmert er sich nicht um den Flaucher, aber das simuliert er, gleich wird er ihn mit scheinheiliger Freundlichkeit derblecken.
Da hörte er schon die tiefe Stimme des Klenk. »Übrigens, Kollege«, sprach sie, »ich habe Ihnen noch etwas zu sagen.« Was der ihm zu sagen hat, ist sicher kein Oktoberfest. Ganz gelassen klang die umfangreiche Baßstimme; aber Flaucher hörte doch die böse, höhnische Absicht heraus. Klenk hatte sich umständlich zu seiner ganzen riesigen Höhe erhoben. Flaucher blieb sitzen, über den letzten Schnitten seines Rettichs. Aber Klenk winkte freundlich, jovial. Flaucher, widerwillig, gezogen, richtete sich hoch. An der Anrichte stand die Kassierin Zenzi, schaute ihn an. Auch ihre hurtige Gehilfin Resi, gleichzeitig mit einem Gast schwatzend, an einem anderen Tisch einen Teller wechselnd, schaute den beiden Männern nach, wie sie jetzt vertraulich nebeneinander zur Toilette gingen, Flaucher ein trübes Gefühl im Herzen wie als Student, wenn er hinausgebeten wurde.
In dem gekachelten Raum erzählte der Justizminister dem Kultusminister von der Unterredung seines Referenten mit dem Bauernführer Bichler. Nein, der Bichler war nicht recht einverstanden mit der Prozeßtaktik des Kollegen Flaucher. Esel , hatte er gesagt, schlechthin und unmißverständlich Esel ,nach einem zuverlässigen Bericht. Nun teilte ja auch er, Klenk, die Meinung des Kollegen über die einzuschlagende Taktik keineswegs. Immerhin: Esel sei eine geschmalzene Bezeichnung. Das erzählte er, ohne seine riesige Baßstimme zu dämpfen, dröhnte es so laut, daß man ihn sicher auch außerhalb der Toilette hörte.
Trüb, die dicken Schultern noch runder und schlaffer als sonst, kehrte der Kultusminister Flaucher aus dem gekachelten Raum zurück an der Seite des fröhlich schwatzenden Klenk. Er hatte es ja gewußt, ihm gönnte man nichts. Gegen diese Willensäußerung des Ökonomen Bichler, des wahren Regenten in Bayern, war nicht aufzukommen. Hier hieß es beiseite treten, den Triumph aus den Händen fallen lassen. Beschissen jetzt schien ihm alles, der ganze Prozeß. Stumm über seinen Rettichresten saß er, den leise winselnden Dackel mit dem Fuß beiseit schob er, dumpf, grimmig hörte er zu, wie die vergnügte Laune des Klenk Lärm und Gelächter der Tafelrunde immer neu entfesselte.
Schwunglos schließlich, knurrig kehrte der Kultusminister Flaucher in seine Wohnung zurück, die er, weil am Vorabend des Prozesses Krüger, kurze Zeit zuvor sehr gehoben verlassen hatte. Müde, die Betrübnis seines Herrn ängstlich spürend, wischte Waldmann der Dackel in seinen Winkel.
3
Der Chauffeur Ratzenberger und die bayrische Kunst
Der Vorsitzende, der Landesgerichtsdirektor Dr. Hartl, jovialer, blonder Herr, verhältnismäßig jung, noch nicht fünfzig, leicht beglatzt, beliebte eine elegante, schmissige Prozeßführung. Es gab unter den bayrischen Richtern nicht viele, die einen Prozeß, auf den die Augen des Reichs gerichtet waren, halbwegs mit Anstand führen konnten. Er wußte also, daßdie Regierung mehr oder minder auf ihn angewiesen war, daß er ziemlich willkürlich vorgehen konnte, wenn nur das Endresultat, in diesem Fall die Verurteilung des Angeklagten, der Politik des Kabinetts entsprach. Reich, unabhängig, fühlte sich der ehrgeizige Richter als großer Herr. Es konnte nicht schaden, wenn er der Regierung bewies, daß er seine Fähigkeiten nach allen Seiten hin spielen lassen konnte, daß er ein Faktor war, mit dem man rechnen mußte. Seine gut bayrisch konservative Überzeugung stand über allem Zweifel fest; er war gesichert durch kluge Zusammensetzung der Geschworenenbank; juristisch fühlte er sich hinreichend souverän, mit Hilfe der zur Verfügung stehenden biegsamen Paragraphen jeden Spruch, der ihm beliebte, formal überzeugend zu begründen: warum also sollte er es sich nicht leisten, eine große Sache wie diesen Prozeß Krüger artistisch spielerisch zu führen, sein Verständnis für Menschliches leuchten zu lassen.
Mit sicherem Instinkt für wirkungsvollen Aufbau schränkte er die Vernehmung des Angeklagten auf Formales ein, auf nüchterne Angaben, und bot Spannung erst, als das Interesse zu erlahmen begann. Eine lange Weile mußte man warten, bis er den Hauptbelastungszeugen vorrief.
Die Hälse reckten sich, Lorgnons wurden vors Auge gestielt, die Zeichner der großen Journale
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